Büro Brüssel
Ausgabe
23/2004 09.12.2004
Themen in dieser
Ausgabe: -
Expertennetzwerk Europäisches Vertragrecht -
Die neue Brüssel-II-Verordnung - Online-Ratgeber für
Zivil- und Handelssachen |
- 3. Geldwäscherichtlinie - Rahmenbeschluss zur Vorratsdatenspeicherung - Verfahrensrechte in Strafverfahren - Eu-Strafregister - Bundesverfassungsgericht prüft
Europäischen |
Zivilrecht
|
Expertennetzwerk
Europäisches Vertragsrecht
Die
Generaldirektion Verbraucherschutz der Kommission hat einen Vertreter der BRAK
in das Expertennetzwerk zur Erarbeitung des sogenannten gemeinsamen
Referenzrahmens im Bereich des Europäischen Vertragsrechts (Common Frame of
Reference Net - CFR-Net) berufen. Das Netzwerk soll mit etwa 150 Experten aus
der Praxis in 10 Arbeitsgruppen in den verschiedenen Teilgebieten des
Vertragsrechts arbeiten und auf diese Weise die wissenschaftliche Arbeitsgruppe
unterstützen, die mit der Ausarbeitung des gemeinsamen Referenzrahmen
beauftragt ist. Der gemeinsame Referenzrahmen ist Bestandteil des Aktionsplans
der Kommission für ein kohärenteres europäisches Vertragsrecht und soll
vorerst unverbindliche, EU-weit geltende materiellrechtliche
Schuldrechtsregelungen einführen. Im Oktober diesen Jahres hatte die Kommission
die bereits lange erwartete Mitteilung
zum weiteren Vorgehen im Europäischen Vertragsrecht (siehe auch den Anhang)
veröffentlicht Die Ausarbeitung des gemeinsamen Referenzrahmens soll bis 2007
abgeschlossen sein. Die erste Konferenz des Expertennetzes findet am 15.12.2004
in Brüssel statt.
Über
das Vorgehen der Kommission für ein kohärenteres Europäisches Vertragsrecht
haben wir bereit in Ausgabe Nr. 20
und 5
der Nachrichten aus Brüssel berichtet.
Die
neue Büssel-II-Verordnung
Die
Kommissionsdienststellen haben in Zusammenarbeit mit dem Europäischen
Justiziellen Netz für Zivil- und Handelssachen einen Leitfaden (englisch) zur Anwendung der neuen Brüssel-II-Verordnung
in der Praxis veröffentlicht. Die neue Brüssel-II-Verordnung wird am 01.03.2005
in Kraft treten und enthält Vorschriften über die Zuständigkeit, Anerkennung
und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen über die elterliche
Verantwortung, wie z.B. das elterliche Sorgerecht. Sie soll sichere rechtliche
Rahmenbedingungen zum Schutz der Kinder innerhalb der EU schaffen und ist
Bestandteil des vom Europäischen Rat am 04.-05.11.2004 im Haager
Programm (Anlage I der Schlussfolgerungen) festgelegten Ziels, den
Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Urteile umzusetzen. Der
Leitfaden führt die Hauptthemen der Verordnung nacheinander mit den jeweils
einschlägigen Artikeln auf und erklärt dem Anwender die Inhalte der
verschiedenen Konflikt- und Ausnahmeregelungen.
Die
BRAK hatte über die neue Brüssel-II-Verordnung bereits in der Ausgabe Nr. 19
der Nachrichten aus Brüssel von 2003 berichtet.
Online-Ratgeber
für Zivil- und Handelssachen (EJN)
Die
Kommission hat in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten ihren Online-Ratgeber
für Zivil- und Handelssachen (EJN) ausgebaut. Die Internetseite bietet
Informationen über das Gemeinschaftsrecht, internationales sowie Zivil- und
Handelsrecht sowohl auf Gemeinschaftsebene als auch auf nationaler Ebene. In
verschiedensten Themen, wie z. B. Vollstreckung von Gerichtsurteilen,
Gerichtsorganisation, Prozesskostenhilfe, zeigt der Klick auf die Europafahne
den neuesten Stand der Arbeit der EU in diesen Gebieten an. Weiter kann man
sich durch Anklicken der Fahnen aller Mitgliedstaaten einen Überblick über das
jeweilige nationale Rechtssystem zum ausgewählten Themenbereich verschaffen.
Allerdings sind derzeit noch nicht alle Themen in allen Sprachen verfügbar.
Inhalt
des Online-Ratgebers ist ferner ein Europäischer Gerichtsatlas für Zivilsachen.
Durch diesen Atlas erhält man Zugang zu bestimmten,
für die gerichtliche Zusammenarbeit in Zivilsachen relevanten Informationen.
Der Atlas erlaubt die Lokalisierung der zuständigen Gerichte und sonstiger
Behörden. Ferner sind die in bereits verabschiedeten Richtlinien und
Verordnungen enthaltenen Formblätter in die Seite des Gerichtsatlas
eingestellt. Diese können online ausgefüllt, ggf. automatisch in eine andere
Sprache übersetzt und anschließend an die zuständige Stelle versandt werden.
Strafrecht
|
3.
Geldwäscherichtlinie
Am
07.12.2004 hat sich der Rat
der Wirtschafts- und Finanzminister (siehe S.11) auf die Grundzüge des
weiteren Vorgehens zur Richtlinie
zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche
einschließlich der Finanzierung des Terrorismus geeinigt. Der
Richtlinienentwurf setzt die Empfehlungen der Arbeitsgruppe "Financial
Action Tasc Force on Money Laundering" (FATF) zur Geldwäschebekämpfung um
und soll anstelle der bestehenden 2.
Geldwäscherichtlinie treten. Der Entwurf enthält insbesondere eine neue
Definition des Geldwäschetatbestands und soll nunmehr auch die Finanzierung
terroristischer Vereinigungen erfassen. Rechtsanwälte unterliegen grundsätzlich
den Bestimmungen der Richtlinie, wie bereits in der 2. Geldwäscherichtlinie
vorgesehen, wenn sie für ihren Mandanten Finanz- oder Immobilientransaktionen
tätigen. Erlangt der Anwalt jedoch Informationen vor, während oder nach einem
Gerichtsverfahren, unterliegt die Rechtsberatung weiterhin der anwaltlichen
Verschwiegenheitspflicht. Für dieses Ergebnis hatte sich die BRAK im Rahmen des
Gesetzgebungsverfahrens zur 2. Geldwäscherichtlinie eingesetzt. Der Kompromiss
des Ministerrates sieht vor, dass Warenhändler grundsätzlich die Identität
ihrer Kunden überprüfen und den Verdacht der Geldwäsche weiterleiten müssen,
sobald eine Bargeldzahlung die Summe von 15.000 übersteigt Der Ministerrat
strebt eine enge Zusammenarbeit mit dem EP an, um die Richtlinie bereits nach
der 1. Lesung und vor Ende des Jahres 2005 verabschieden zu können. Die
Beratungen im zuständigen EP-Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und
Inneres haben bereits am 24.11.2004 begonnen.
Weitere
Presseinformationen zu der Einigung des Ministerrates finden Sie hier.
Über
den Richtlinienentwurf berichteten wird bereits in Ausgabe Nr. 13
der Nachrichten aus Brüssel.
Rahmenbeschluss zur
Vorratsdatenspeicherung
Im
Rahmen der Beratungen zum Vorschlag
für einen Rahmenbeschluss zur Vorratsspeicherung von Daten hat der Rat der
Innen- und Justizminister (siehe S. 9) am 02.12.2004 die Einsetzung einer
Arbeitsgruppe beschlossen. Diese soll die Rechtsfrage klären, ob und unter
welchen Bedingungen Telekommunikationsunternehmen zur generellen Speicherung
sogenannter Verkehrsdaten über einen längeren Zeitraum hinweg verpflichtet
werden können. Damit hat der Ministerrat auf die in den Mitgliedstaaten und
insbesondere in Deutschland von Bundesjustizministerin Zypries am 18.11.2004 geäußerten Bedenken reagiert.
Die Arbeitsgruppe soll nun klären, unter welchen Bedingungen solche Eingriffe
in die Privatsphäre der Bürger und in die Eigentumsfreiheit der
Telekommunikationsunternehmen verhältnismäßig sind. Dazu soll zum einen ein
Katalog von Straftaten festgelegt werden, die einen Rückgriff auf gespeicherte
Daten rechtfertigen. Zum anderen soll die Möglichkeit staatlicher
Kompensationszahlungen an die Telekommunikationsanbieter erwogen werden. Aus
Anwaltssicht ist vor allem der Schutz des Berufsgeheimnisses und der
Vertraulichkeit zwischen Anwalt und Mandant relevant.
Über
den Rahmenbeschluss zur Vorratsdatenspeicherung berichteten wir bereits in der
Ausgabe Nr. 22 der Nachrichten aus Brüssel.
Verfahrensrechte
in Strafverfahren
Am
24.11.2004 hat die niederländische Berichterstatterin im EP-Ausschuss für
bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, Kathalijne Maria Buitenweg (Grüne),
ein erstes Arbeitsdokument
zu dem Vorschlag
für einen Rahmenbeschluss des Rates über bestimmte Verfahrensrechte im
Strafverfahren innerhalb der EU vorgelegt. Der Vorschlag umfasst das Recht
auf Rechtsbeistand "während des gesamten Strafverfahrens", das Recht
auf Beiziehung eines Dolmetschers und Übersetzung aller maßgeblichen Dokumente,
das Recht ausländischer Festgenommener auf konsularische Unterstützung, die
Aufklärung von Verdächtigten und Angeklagten über ihre Rechte durch einen
sogenannten "Letter of Rights" und besondere Schutzvorschriften für
Minderjährige und psychisch oder physisch Kranke. Die Festlegung gemeinsamer
Verfahrensrechte soll die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen
fördern. Der Rahmenbeschlussvorschlag ist Bestandteil des Haager
Programms (Anlage I der Schlussfolgerungen) und soll
bis Ende 2005 angenommen werden. Die Berichterstatterin forderte die Kommission
zur Aufnahme weitergehender Rechte auf, wie z.B. das Recht auf vorübergehende Freilassung
gegen Kaution, der Grundsatz ne bis in idem, der Grundsatz der
Unschuldsvermutung oder die Garantien zur fairen Beweisaufnahme und
-verwertung. Hierfür hatte sich auch die BRAK in ihrer Stellungnahme
in dem dem Rahmenbeschluss vorangegangenen Konsultationsverfahren
ausgesprochen.
Zu
dem Vorschlag für einen Rahmenbeschluss über bestimmte Verfahrensrechte im
Strafverfahren innerhalb der EU berichteten wir bereits in Ausgabe Nr. 10
der Nachrichten aus Brüssel.
Über
das Haager Programm berichteten wir bereits in Ausgabe Nr. 21 der Nachrichten aus Brüssel.
EU-Strafregister
Am
02.12.2004 hat sich der Rat der
Innen- und Justizminister (siehe S. 8) auf den Hauptbestandteil (Art.
1 - 8) des Vorschlags
für einen Beschluss des Rates über den Austausch von Informationen aus dem
Strafregister geeinigt. Der geplante Beschluss ist eine Maßnahme im Rahmen
des Haager Programms (Anlage I der Schlussfolgerungen) und soll
den Austausch strafverfolgungsrelevanter Informationen zwischen den
Mitgliedstaaten erleichtern. In dem Vorschlag ist vorgesehen, dass die
nationalen Strafregisterbehörden die zuständige Behörde eines anderen
Mitgliedstaates unmittelbar über strafrechtliche Verurteilungen von Staatsangehörigen
dieses Mitgliedstaates unterrichten sollen. Damit soll sichergestellt werden,
dass die Mitgliedstaaten zum frühestmöglichen Zeitpunkt über vollständige
Strafregister ihrer Staatsangehörigen verfügen. Differenzen bestehen weiterhin
hinsichtlich der Frage des Zugriffs durch natürliche Personen und der
Ausgestaltung der Antragsformulare, die dem Beschluss als Annex beigefügt
werden sollen. Für das Jahr 2005 hat das BMJ bereits einen elektronischen
Informationsaustausch über gespeicherte Vorstrafen zwischen dem deutschen
Bundeszentralregister und den französischen und spanischen Strafregistern
vereinbart.
Weitere
Informationen zu diesem Thema finden Sie in den Ausgaben Nr. 21,
20
und 18
der Nachrichten aus Brüssel.
Rechtsprechung
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BVerfG
prüft Europäischen Haftbefehl
Am
24.11.2004 hat das BVerfG durch einstweilige
Anordnung einen Europäischen Haftbefehl ausgesetzt, auf dessen Grundlage
ein deutsch-syrischer Staatsangehöriger nach Spanien ausgeliefert werden soll.
Der Haftbefehl war vom Amtsgericht Madrid gemäß dem Europäischen
Haftbefehlsgesetz
(EuHbG) vom 21.06.2004 erlassen worden, welches den Rahmenbeschluss
zum Europäischen Haftbefehl umsetzt. Das Gesetz verkürzt durch eine
sogenannte "Positivliste" das Auslieferungsverfahren, da in über 30
Deliktsgruppen das Erfordernis der beidseitigen Strafbarkeit wegfällt. Dem
Beschwerdeführer, der sich seit dem 15.10.2004 in Auslieferungshaft befindet,
wird die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und Terrorismus
vorgeworfen. Das BVerfG will im Hauptsacheverfahren prüfen, inwiefern der
Europäische Haftbefehl und das ihm zu Grunde liegende Gesetz mit den verfassungsrechtlichen
Vorgaben eines freiheitlichen Rechtsstaates konform sind. Im Vordergrund wird
dabei insbesondere die Frage nach der Vereinbarkeit mit Art. 16 Abs. 2 S. 1 GG
stehen, der jedem Deutschen das Recht gewährt, nicht an das Ausland
ausgeliefert zu werden. Auch die BRAK hatte
gegen das Europäische Haftbefehlsgesetz insbesondere in Hinblick auf die
Auslieferung eigener Staatsangehöriger erhebliche Vorbehalte geäußert. Sie
hatte gefordert, die Prüfung der beidseitigen Strafbarkeit als unabdingbare
Zulässigkeitsvoraussetzung beizubehalten und außerdem ein fakultatives
Bewilligungshindernis vorzusehen. Außerdem hatte sie wegen des fehlenden
Grundrechtsvorbehalts zugunsten des deutschen Grundgesetzes, der EMRK sowie der
Grundrechtecharta der EU Bedenken geäußert. Sie hält es für erforderlich, eine
Auslieferungsentscheidung auf ihre Vereinbarkeit mit Grundrechten durch das
BVerfG im Wege der Verfassungsbeschwerde überprüfen lassen zu können.
Wir
berichteten bereits in den Ausgaben Nr. 13
und Nr. 1 der Nachrichten aus Brüssel über das
Europäische Haftbefehlsgesetz.
Bundesrechtsanwaltskammer, Büro Brüssel,
Avenue de Tervuren 142-144, B-1150 Brüssel, Tel: 0032-2-743 86 46, Fax:
0032-2-743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.be Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher, RAin Tanja Struve und RA Wolfgang Eichele LL.M.. |
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