Büro Brüssel

Ausgabe 6/2005                                                                                                                  24.03.2005

 

Themen in dieser Ausgabe:

 

Zivilrecht

- Europäisches Bagatellverfahren

- Grünbuch über das anzuwendende Recht in

  Scheidungssachen

- Leitfaden zur Verordnung Brüssel II

 

Strafrecht

- EU-weite Berücksichtigung von Verurteilungen

 

Wirtschaftsrecht

- Klage Kommission gegen Griechenland

 

Freizügigkeit

- Lissabon-Strategie und Dienstleistungsrichtlinie

 

Sonstiges

- Wechsel des Referats Datenschutz zur GD

  Freiheit, Sicherheit und Recht

- Europäische Patentdatenbank

- Neue Website der Kommission

- „Ein Jahr in Europa“ und EU-Gesamtbericht

 


 

Zivilrecht

 

Europäisches Bagatellverfahren

Am 15.03.2005 hat die EU-Kommission einen Vorschlag des EP und des Rates zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen („europäisches Bagatellverfahren“) vorgelegt. Damit soll ein europäisches Verfahren, als Alternative zu den weiterhin bestehenden innerstaatlichen Verfahren, für geringfügige Forderungen eingeführt werden, um Streitigkeiten mit geringem Streitwert einfach, schnell und kostengünstig beilegen zu können. Dies wird von der BRAK begrüßt. Die neue Verordnung soll gelten für Zivil- und Handelssachen, deren Forderungswert 2.000 Euro nicht überschreiten. Das europäische Bagatellverfahren beinhaltet eine Reihe von Verfahrensvereinfachungen, so können beispielsweise Schriftstücke per Fax oder E-Mail zugestellt werden. Im Falle einer mündlichen Verhandlung kann das Gericht dies mit Hilfe einer Audio-, Video- oder E-Mail-Konferenz durchführen. Die Gerichtsentscheidung wird sofort vollstreckt und in jedem EU-Mitgliedstaat (die Verordnung ist in Dänemark nicht verbindlich und dort nicht anwendbar) anerkannt. Der Ablauf des Verfahrens kann mit Hilfe der im Anhang zu findenden Antragsformulare durchgeführt werden.

 

Dem Verordnungsvorschlag ging das Grünbuch über ein Europäisches Mahnverfahren und über Maßnahmen zur einfacheren und schnelleren Beilegung von Streitigkeiten mit geringem Streitwert voraus. Die Stellungnahmen der BRAK zum Europäischen Mahnverfahren finden Sie hier (2002 und 2004). Wir berichteten bereits über das Europäische Mahnverfahren in den Ausgaben 18 und 5 aus 2004 sowie in 1, 9 und 20 aus 2003 der Nachrichten aus Brüssel.

 

Grünbuch über das anzuwendende Recht in Scheidungssachen

Am 14.03.2005 hat die Kommission ein Grünbuch über das anzuwendende Recht und die gerichtliche Zuständigkeit in Scheidungssachen vorgelegt. Das Grünbuch zeigt Probleme anhand von Beispielen auf, mit denen Ehepaare unterschiedlicher Staatsangehörigkeit bei einer Scheidung zu kämpfen haben und stellt Lösungswege vor. Momentan existieren keine Gemeinschaftsnormen über das in Scheidungssachen anzuwendende Recht, da die neue Brüssel II-Verordnung (EG Nr. 2201/2003) nur Vorschriften über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen enthält. Die Kommission fordert alle interessierten Kreise auf, bis zum 30.09.2005 zum Grünbuch Stellung zu nehmen und die zur Diskussion gestellten 20 Fragen zu beantworten.

 

Die Pressemitteilung finden Sie hier. Das Arbeitsdokument der Kommission zum Grünbuch in englischer Sprache können Sie hier abrufen.

 

Leitfaden zur Verordnung Brüssel II

Wir berichteten in unserer Ausgabe 5/2005 der Nachrichten aus Brüssel über die Anerkennung familienrechtlicher Entscheidungen. Der Leitfaden zur Anwendung der Verordnung ist jetzt auch auf Deutsch erhältlich.

 

Strafrecht

 

EU-weite Berücksichtigung von Verurteilungen

Die Kommission hat am 17.03.2005 einen Vorschlag angenommen, der es Gerichten ermöglichen soll, strafrechtliche Verurteilungen einer Person, die in einem anderen EU-Mitgliedstaaten ergangen sind, in ihren Strafverfahren zu berücksichtigen. Eng damit verknüpft ist die Einrichtung eines EU-weiten elektronischen Datenaustauschs über strafrechtliche Verurteilungen, wozu die Kommission bis Juni 2005 einen Beschlussvorschlag erarbeiten wird. Kern des jetzt vorgelegten Vorschlags ist dessen Art. 3, der in einem Mitgliedsstaat ergangene Verurteilungen hinsichtlich deren Rechtswirkung den im Inland ergangenen Verurteilungen gleichstellt. Diese Gleichstellung hat vor allem Bedeutung für die anzuwendenden Strafverfahrensvorschriften, Vorschriften zur Untersuchungshaft sowie Art und Umfang der zu verhängenden Strafe. In den Art. 4 und 5 des Vorschlags sind Ausnahmen von der Gleichstellung aufgeführt. Beispielsweise kann eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Verurteilung unberücksichtigt bleiben, wenn die zugrunde liegende Tat nach innerstaatlichem Recht keine Straftat darstellt. Nach Willen der Kommission soll der Rahmenbeschluss von den Mitgliedstaaten bis spätestens Ende 2006 umgesetzt werden.

 

Über das dem Kommissionsvorschlag vorausgegangene Weißbuch vom 25.01.2005 berichteten wir bereits in den Nachrichten aus Brüssel 3/2005.

 

Wirtschaftsrecht

 

Klage Kommission gegen Griechenland

Die EU-Kommission hat beschlossen, Griechenland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu verklagen. Grund der Klage sind Teilaspekte der griechischen Besteuerung von Gesellschaftskapital, welche nach Ansicht der Kommission nicht gemeinschaftsrechtskonform sind. Nach der Richtlinie über indirekte Steuern auf die Ansammlung von Kapital (69/335/EWG) ist es den Mitgliedstaaten erlaubt, Gesellschaftssteuer auf die Gründung von Gesellschaften, nicht aber auf ihre Verlegung zu erheben. Des Weiteren berechtigt die Richtlinie nicht, bestimmte Wirtschaftsbereiche von der Steuer zu befreien. Griechenland verstößt nach Ansicht der Kommission gegen beide Regelungen: Zum einen unterliegt die Verlegung des Gesellschaftssitzes der Gesellschaftssteuer, zum anderen sind alle landwirtschaftlichen Betriebe und Schifffahrtsgesellschaften von der Steuer ausgenommen. Da Griechenland auch nach einer förmlichen Aufforderung vom Dezember 2004 seine Rechtsvorschriften nicht geändert hat, sah sich die Kommission gezwungen, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten.

 

Die Pressemitteilung der Kommission finden Sie hier.

 

Freizügigkeit

 

Lissabon-Strategie und Dienstleistungsrichtlinie

Im Mittelpunkt des Frühjahrsgipfels der EU-Staats- und Regierungschefs (22./23.03.2005) standen die Lissabon-Agenda und die geplante Dienstleistungsrichtlinie. Die Strategie von Lissabon, die darauf abzielt, die EU bis zum Jahr 2010 "zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt" zu machen, wurde vom Europäischen Rat im Jahr 2000 verabschiedet. Wie die Halbzeitbilanz der Kommission zur Lissabon-Agenda vom 02.03.2005 zeigte, wird es zunehmend schwieriger, dieses Ziel zu erreichen. Die schon bisher umstrittene Dienstleistungsrichtlinie gehört ebenfalls zur Lissabon-Strategie. Der EU-Gipfel fordert die grundlegende Überarbeitung der Richtlinie. Bemängelt wird insbesondere, dass der bisherige Vorschlag mit seinem Herkunftslandprinzip nicht den europäischen Sozialstandards entspricht. Nach Ansicht von EU-Ratspräsident Juncker ist nun das Europäische Parlament, welches derzeit über die Richtlinie berät, gefordert, seine Änderungen vorzubringen.

 

Den Kommissionsvorschlag zur Dienstleistungsrichtlinie finden sie hier. Die BRAK hat zu diesem Vorschlag Stellung genommen.

 

Über die Dienstleistungsrichtlinie berichteten wir bereits in den Nachrichten aus Brüssel 1/2004, 12/2004, 2/2005, 3/2005 und 5/2005.

 

Sonstiges

 

Wechsel des Referats Datenschutz zur GD Freiheit, Sicherheit und Recht

Seit dem 16.03.2005 gehört das Referat Datenschutz nicht mehr zur GD Binnenmarkt sondern wechselte zur GD Freiheit, Sicherheit und Recht. Die neue Abteilung bereitet u. a. einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten vor. Vorsitzender der Abteilung Datenschutz bleibt weiterhin Philippe Renaudière. Das neue Organigramm der GD Freiheit, Sicherheit und Recht finden Sie hier.

 

Europäische Patentdatenbank

Die EU-Patentdatenbank epoline® ermöglicht es ihren Nutzern u. a., Informationen über den aktuellen Stand eines Patentantrages zu erhalten oder Informationen zu anderen Patentanmeldungen der gleichen Patentfamilie abzurufen. Mit Hilfe der Suchmaske „Europäisches Patentregister Online“ kann man anhand verschiedener Suchkriterien u. a. bibliografische Daten sowie eine Beschreibung des Patents finden. Eine öffentliche online Akteneinsicht ermöglicht es Nutzern, den vollständigen Inhalt der Akten aller europäischen Patentanmeldungen nach deren Veröffentlichung einzusehen.

 

Neue Website der Kommission

Die EU-Kommission hat ein neues Internetportal entwickelt, mit dessen Hilfe sie der Öffentlichkeit ihre Arbeitsweise näher bringen möchte. Die Website ist in drei Stufen, die die Arbeitsweise der Kommission repräsentieren, aufgeteilt, nämlich „Strategie“, „Tägliche Arbeit“ und „Ergebnisse“. Die Rubrik „Strategie“ informiert über Ziele und Prioritäten der Kommission. Die Rubrik „Tägliche Arbeit“ liefert u. a. Informationen über die Sitzungen der Kommission sowie neueste Pressemitteilungen. Die Rubrik „Ergebnisse“ informiert schließlich über kürzlich gefasste Beschlüsse sowie deren Umsetzung durch die Mitgliedstaaten. Hinter dem Link „Grundlegende Fakten“ verbergen sich u. a. Antworten auf die Fragen: „Was ist die Kommission?“, „Welche Rolle hat sie im europäischen Rechtsetzungsprozess?“ und „Wie fasst die Kommission Beschlüsse?“.

 

„Ein Jahr in Europa“ und EU-Gesamtbericht für 2004

Am 21.03.2005 hat die Kommission die Publikation „Ein Jahr in Europa“ in allen 20 Amtssprachen online veröffentlicht. Der Bericht gibt einen kurzen Überblick über die wichtigsten Entscheidungen der einzelnen Referate der verschiedenen EU-Institutionen im vergangen Jahr. Die deutsche Fassung des Berichts finden Sie hier. Weitergehende Informationen über die Arbeit der EU gibt der Gesamtbericht, welcher jährlich von der Kommission gemäß Art. 212 EG-Vertrag und 125 EAG-Vertrag veröffentlicht wird. Der erste Teil des Berichts für 2004 fasst auf ca. 100 Seiten die Entwicklungen der verschiedenen Politikfelder des letzten Jahres zusammen. Erstmals gibt es mit dem "Technischen Anhang" einen zweiten Teil, der ausführlicher auf die Tätigkeiten der EU-Organe eingeht und sich somit vor allem an ein Fachpublikum richtet.

 

Impressum

Bundesrechtsanwaltskammer, Büro Brüssel, Avenue de Tervuren 142-144, B-1150 Brüssel, Tel: 0032-2-743 86 46, Fax: 0032-2-743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.be

 

Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher und RA Dr. Wolfgang Eichele LL.M..

© Bundesrechtsanwaltskammer

 

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