Büro Brüssel
Ausgabe 10/2006
24.05.2006
Themen
in dieser Ausgabe: - Europäische Vollstreckungsanordnung |
-
EuGH
Niederlassungsrichtlinie für Anwälte
-
Aktualisierung
der CCBE-Berufsregeln -
Bürger-Agenda -
EU-Verfassungsvertrag -
EU-Beitritt Bulgarien
und Rumänien |
Strafrecht
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Europäische
Vollstreckungsanordnung
Der Ausschuss
für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des EP hat am 15. Mai 2006
über den Berichtsentwurf
von MdEP Ioannis Varvitsiotis zum Rahmenbeschlussentwurf
über die Europäische Vollstreckungsanordnung und die Überstellung verurteilter
Personen zwischen den Mitgliedstaaten der EU abgestimmt. Der Rahmenbeschluss
will eine bessere soziale Wiedereingliederung ermöglichen. Vorgesehen ist ein
beschleunigtes Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren von freiheitsentziehenden
oder Sicherungsmaßnahmen, die von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaates
verhängt wurden, durch den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit die Person
besitzt, in dem sie ihren rechtmäßigen Aufenthalt oder zu dem sie eine enge Verbindung
hat. Der Ausschuss des EP vertritt den Standpunkt, dass Anerkennung und
Vollstreckung nicht auf Grundlage einer Vollstreckungsanordnung, sondern auf
Grundlage des Urteils und einer Bescheinigung erfolgen müssen. Außerdem soll
die Möglichkeit der Überstellung in den Staat entfallen, zu dem die betreffende
Person eine sonstige enge Beziehung unterhält. Laut dem Bericht soll die in Artikel
7 der Ratsinitiative vorgesehene Liste konkreter Straftaten, deren Vorliegen
ohne Überprüfen des Vorliegens beiderseitiger Strafbarkeit zur Anerkennung und
Vollstreckung der Vollstreckungsanordnung führen sollte, gestrichen werden.
Durch die Überprüfung des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit würden
Überstellungen zum Zweck der Verbüßung einer Strafe für eine Handlung
verhindert, die im Überstellungsstaat nicht strafbar ist.
Freizügigkeit
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EuGH Niederlassungsrichtlinie für Anwälte
In den vor dem EuGH anhängigen Rechtssachen C-506/04 sowie C-193/05 hat die Generalanwältin Stix-Hackl am 11. Mai 2006 ihre Schlussanträge vorgelegt. Beide Verfahren befassen sich mit dem Verhältnis der Niederlassungsrichtlinie für Rechtsanwälte 98/5/EG zu einer luxemburgischen Vorschrift, nach der Anwälte aus anderen Mitgliedstaaten nur nach erfolgreicher Absolvierung einer Sprachprüfung als europäische Anwälte auftreten dürfen. Die Generalanwältin hält dies für unzulässig. Gleichzeitig weist sie darauf hin, dass der Anwalt disziplinarrechtlich (entsprechend 3.1.3. der CCBE-Berufsregeln) gehalten sein kann, ein Mandant abzulehnen, wenn seine Sprachkenntnisse nicht ausreichen. Sie sieht auch in der anderen angegriffenen Regelung, die bestimmt, dass nur in der Liste I eingetragene Anwälte, nicht aber europäische Rechtsanwälte, Domizilhalter sein dürfen, einen Verstoß gegen die Niederlassungsrichtlinie. Auch die luxemburgische Bestimmung, dass die Bescheinigung über die Eintragung bei der zuständigen Stelle des Herkunftsstaates alljährlich vorzulegen ist, sei mit der Zielsetzung und den Mechanismen der Niederlassungsrichtlinie unvereinbar.
Das Verfahren C-506/04
betrifft zudem das luxemburgische Rechtsbehelfssystem bei Nichtzulassung zur
Anwaltschaft. Vor dem Hintergrund, dass Art. 9 der Niederlassungsrichtlinie
vorschreibt, dass gerichtliche Rechtsmittel nach dem innerstaatlichen
Recht" offen stehen müssen, wird insbesondere die Frage diskutiert,
inwiefern die luxemburgischen Spruchkörper Conseil disciplinaire et
administratif und Conseil disciplinaire et administratif d'appel das
erforderliche Kriterium der Unabhängigkeit
des Gerichts erfüllen. Dies setze immer voraus, so die
Generalanwältin, dass die Mitglieder der Spruchkörper über gesetzlich
verankerte richterliche Unabhängigkeit verfügen - unabhängig davon, ob sie als
Berufsangehörige als Richter mitwirken oder Berufsrichter sind. Da insbesondere
dies in Luxemburg nicht gewährleistet ist, verneint die Generalanwältin die
Unabhängigkeit und in der Folge auch die Unparteilichkeit des Gerichts. Insgesamt
entspreche das Rechtsbehelfssystem nicht den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (Art.
234 EG
und Art. 6 Abs. 1 EMRK).
In Deutschland sind die Mitglieder des Anwaltsgerichts ehrenamtliche Richter
und haben damit die Stellung von Berufsrichtern und sind daher in gleichem Maße
unabhängig wie diese.
Aktualisierung der CCBE-Berufsregeln
Auf
der Vollversammlung des CCBE
(Rat der Europäischen Anwaltschaften) am 19./20. Mai 2006 wurde die Novellierung
der CCBE-Berufsregeln beschlossen. Die CCBE- Berufsregeln haben in allen EU und
EWR Mitgliedstaaten Geltung für die grenzüberschreitende Tätigkeit von Anwälten.
Hauptaugenmerk wurde bei dieser dritten Überarbeitung seit der Schaffung der
Regeln 1988 auf die Anpassung der Regelungen an die Niederlassungsrichtlinie
gelegt. In Deutschland gilt zurzeit die Fassung
der CCBE-Berufsregeln von November 1998, auf die § 29 der deutschen Berufsordnung
statisch verweist. Um der neuen Fassung Gültigkeit zu verschaffen, ist der
Beschluss der Satzungsversammlung erforderlich.
Sonstiges
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Bürger-Agenda
Im
Zusammenhang mit dem Scheitern der Verfassung in
Frankreich und den Niederlanden hat die Kommission mit Datum vom 10. Mai 2006
zwei Mitteilungen vorgelegt. Zum einen eine Bürger-Agenda,
zum anderen eine Mitteilung mit dem Titel Die
Zeit der Reflexion und Plan D.
Mit
der Bürger-Agenda möchte die Kommission eine strategische Agenda entwickeln,
nach der die zurzeit bestehenden Probleme mit dem Verfassungsvertrag
schrittweise geregelt werden sollen. Neben der Ankündigung von Strategiepapieren
in den Bereichen Binnenmarkt, Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität
sowie Erweiterung der EU und Außenpolitik sieht die Kommission auch im Bereich
Freiheit, Justiz und Inneres weiteren Handlungsbedarf, um Sicherheit genauso
wie die Freiheitsrechte zu gewährleisten. Da teilweise
Beschlussfassungsmechanismen die Handlungsfähigkeit behinderten, sollten die
Entscheidungsverfahren verbessert und über Art. 42 EUV
geändert werden. Die Passarelle-Klausel (Art. 42 EUV) eröffnet die Möglichkeit
zur Überführung von Maßnahmen des Bereichs der polizeilichen und justiziellen
Zusammenarbeit (dritte Säule) in den Bereich der EG (erste Säule), also aus
dem intergouvernementalen Regelungsbereich in eine gemeinschaftsrechtliche
Regelung.
Die
Kommission schlägt darüber hinaus die Abgabe einer politischen Erklärung durch
die Staats- und Regierungschefs, Kommission und Parlament vor, in der sie nicht
nur die Werte und Ziele Europas festschreiben, sondern sich auch zu deren
Umsetzung verpflichten. Diese Erklärung sollte dann die Grundlage für Beschlüsse
bilden, um einen Prozess zur Lösung institutioneller Fragen einzuleiten.
Frühere Berichte: 19/2005
EU-Verfassungsvertrag
Das
finnische Parlament hat sich am 12. Mai 2006 für die EU-Verfassung
ausgesprochen, ein Referendum jedoch abgelehnt. Damit ist der Weg für die
Ratifizierung des Vertrags vor Beginn der finnischen EU-Ratspräsidentschaft am
01. Juli 2006 geebnet worden. Finnland wäre damit das 16. Land, das den Verfassungsvertrag
ratifiziert hat.
Frühere Berichte: 9/2006,
2/2006,
20/2005,
13/2005.
EU-Beitritt Bulgarien und Rumänien
Die
Kommission hat am 16. Mai 2006 den Monitoring-Bericht im Hinblick auf den für
Januar 2007 angesetzten EU-Beitritt von Rumänien und Bulgarien veröffentlicht.
Der Bericht nennt einige Mängel im Reformprozess beider Länder. Sollten diese
Mängel bis zu dem vorgesehenen Datum nicht behoben worden sein, könnte dies
bedeuten, dass die beiden Länder die ihnen zustehende finanzielle Unterstützung
nicht in Anspruch nehmen und auch nicht voll vom Binnenmarkt profitieren
können. Zwei der im Kommissionsbericht genannten Kernprobleme sind die
Justizreform und die Korruptionsbekämpfung in beiden Ländern. Werden hier keine
handfesten Resultate erzielt, kann die Kommission die Länder von der EU-weiten
justiziellen Zusammenarbeit ausschließen und die Mitgliedstaaten wären nicht
verpflichtet, rumänische oder bulgarische Urteile automatisch anzuerkennen und
zu vollstrecken.
Trotzdem
wird der Kommissionsbericht sowohl von Rumänien als auch von Bulgarien positiv
bewertet. Beide Länder wollen die Reformen entschieden vorantreiben, um im
Januar 2007 EU-Mitglied werden zu können.
Frühere
Berichte: 21/2003
Impressum Bundesrechtsanwaltskammer, Büro Brüssel,
Avenue de Tervuren 142-144, B-1150 Brüssel, Tel: 0032-2-743 86 46, Fax:
0032-2-743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.be Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher und RAin Mila Otto, LL.M. |
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