Büro Brüssel
Ausgabe
17/2006 21.09.2006
Themen
in dieser Ausgabe: -
EP-Resolution zum Europäischen Vertragsrecht -
EP - Beitritt der
Europäischen Gemeinschaft zur Haager Konferenz für Internationales
Privatrecht -
Schlussanträge
Rahmenbeschluss zum Europäischen Haftbefehl |
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ECON-Initiativbericht
über Wettbewerb bei den freien Berufen -
EuGH
Niederlassungsrichtlinie für Anwälte
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Zivilrecht
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EP-Resolution
zum Europäischen Vertragsrecht
Das EP hat mit seiner Resolution
zum Europäischen Vertragsrecht vom 7. September 2006 erneut deutlich
gemacht, dass es eine weitere
Harmonisierung des Zivilrechts für einen funktionierenden Binnenmarkt für unabdingbar
hält und einen umfassenden - über den Verbraucherschutz hinausgehenden - sog.
Gemeinsamen Referenzrahmen (GRR) befürwortet. Dies entspricht der Auffassung
der BRAK. Das EP betont, dass das Ergebnis der Arbeiten langfristig ein
verbindliches Rechtsinstrument sein könnte und sämtliche Optionen für den Zweck
und die rechtliche Form eines künftigen Rechtsinstruments offen gehalten werden
sollten. In die Arbeiten der Kommission fordert es eine stärke Einbindung. Der Resolution ging eine mündliche
Anfrage im Namen des
Rechtsausschusses an die Kommission voraus, die auf Klarheit u.a. in den offenen Fragen des Umfangs, Zwecks und der
Rechtsgrundlage eines künftigen Gemeinsamen Referenzrahmens zielt.
Frühere
Berichte: 5/2004,
20/2004,
23/2004,
17/2005,
18/2005,
6/2006,
11/2006
EP - Beitritt der Europäischen
Gemeinschaft zur Haager Konferenz für Internationales Privatrecht
Am
7. September 2006 nahm das EP
die Empfehlung
von Diana Wallis zum Beitritt der Gemeinschaft zur Haager Konferenz für
Internationales Privatrecht an.
Die Haager Konferenz für
Internationales Privatrecht ist eine weltweite zwischenstaatliche Organisation,
welche an der fortschreitenden Vereinheitlichung der Regeln des
internationalen Privatrechts arbeitet. Die Kommission hatte den Vorschlag
für einen Beschluss des Rates über den Beitritt der Europäischen Gemeinschaft
zur Haager Konferenz vorgelegt, da
die von der Gemeinschaft getroffenen Maßnahmen mit grenzübergreifendem Bezug im
Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen auch den Aufgabenbereich
der Haager Konferenz betreffen. Auch der Entschließungsantrag über seine Beteiligung an der Arbeit der Haager Konferenz
nahm das EP an.
Strafrecht
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Schlussanträge Rahmenbeschluss zum
Europäischen Haftbefehl
In der
Rechtssache C‑303/05,
einem Vorabentscheidungsersuchen des belgischen Arbitragehofes im Zusammenhang
mit dem Rahmenbeschluss
zum Europäischen Haftbefehl, hat der
Generalanwalt Ruiz-Jarabo am 12. September 2006 seine Schlussanträge vorgelegt. Darin tritt er sowohl den Zweifeln an der
Vereinbarkeit des Rahmenbeschlusses mit Art. 34 Abs. 2b EU
als auch seiner Unvereinbarkeit mit Art. 6 Abs. 2 EU
entgegen. Der Europäische Haftbefehl stütze sich nicht auf den Grundsatz
der beiderseitigen Strafbarkeit, im Gegenteil, es sei allein die Verfolgung im
ersuchenden Staat Voraussetzung. Die gerügte Ungleichbehandlung könne nur der
staatlichen Norm oder der nationalen Gerichtsentscheidung vorgeworfen werden,
nicht aber dem Unionsgesetzgeber. Auch in der Unbestimmtheit der in Art. 2 Abs.
2 des Rahmenbeschlusses
aufgezählten Handlungen liege kein Verstoß gegen Grundrechte. Eine unbestimmte
Definition könne zwar zu unterschiedlichen Auslegungen führen, doch handele es
sich um eine Ungleichheit bei der Anwendung des Gesetzes, nicht des Gesetzes
selbst. Damit sei der Gleichheitsgrundsatz nicht betroffen. Auch das Legalitätsprinzip
im materiellen Strafrecht sei nicht verletzt, denn durch dieses solle
sichergestellt werden, dass der Bürger im Voraus wisse, welche Handlung welche
Folge habe. Die daher erforderliche unzweifelhafte Definition der
Straftatbestände sei vom materiellen Strafrecht des Ausstellungsmitgliedstaats
zu gewährleisten. Der Rahmenbeschluss führe Strafen weder ein noch bezwecke er
sie. In Deutschland wurde das Umsetzungsgesetz vom
BVerfG am 18. Juli 2005 wegen Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs.
3, 16 Abs. 2 und 19 Abs. 4 GG für nichtig
erklärt. Auch in Polen und Zypern hatten die Umsetzungsgesetze bei einer
Überprüfung durch die nationalen höchstrichterlichen Gerichte keinen Bestand.
Wettbewerb
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ECON-Initiativbericht über Wettbewerb bei den freien
Berufen
Am 12. September 2006 hat
der Wirtschaftsausschuss des EP einen Initiativbericht zum Follow-up
zum Bericht über den Wettbewerb bei den freiberuflichen Dienstleistungen
verabschiedet, dem ein Entwurf von MdEP Dr. Jan Christian Ehler zugrunde liegt.
Auch wenn sich der Ausschuss darin für eine konstruktive Weiterführung von
Reformen ausspricht, die das Ziel verfolgen, nicht gerechtfertigte oder dem
Allgemeininteresse abträgliche Regelungen abzubauen, kritisiert er
gleichzeitig, dass es an aktuellem Zahlenmaterial sowie an
ökonomischen Zielmarken für den Reformprozess mangelt. Er fordert eine ökonomische Abwägung zwischen Risiken und
Chancen einer Liberalisierung. Ausdrücklich
anerkannt wird die effiziente und transparente Selbstverwaltung der freien
Berufe, die die Wirkung ihrer Eingriffe im Voraus abschätzt und die
Auswirkungen kontrolliert und ggf. nachsteuert. Dabei komme den
Mitgliedstaaten, als Ausfluss des Subsidiaritätsprinzips, die Entscheidung
darüber zu, ob sie Selbstregulierung durch die Berufsorganisation zulassen.
Darüber hinaus weist der Ausschuss darauf hin, dass traditionelle geographische
und demographische Besonderheiten zu berücksichtigen und bestimmte
freiberufliche Dienstleistungen im öffentlichen Interesse sind. Das Plenum des
EP wird voraussichtlich am 12. Oktober 2006 über den Bericht abstimmen.
Freizügigkeit
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EuGH Niederlassungsrichtlinie für Anwälte
Am 19. September 2006
sind die Urteile des EuGH in den
Rechtssachen C-506/04 (Wilson./. Ordre
des avocats du barreau de Luxemburg) sowie C-193/05
ergangen. Beide Verfahren befassen sich mit
dem Verhältnis der Niederlassungsrichtlinie
für Rechtsanwälte 98/5/EG zu einer luxemburgischen Vorschrift,
nach der sich Anwälte aus anderen Mitgliedstaaten nur nach erfolgreicher
Absolvierung einer Sprachprüfung als europäische Rechtsanwälte in Luxemburg
niederlassen dürfen. In seinen Urteilen stellt der EuGH klar, dass für die
Eintragung als europäischer Rechtsanwalt im Aufnahmestaat die Vorlage einer Bescheinung
über die Eintragung als Anwalt bei der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats
die einzige Voraussetzung ist. Das Erfordernis der Sprachprüfung sei daher nicht mit der
Niederlassungsrichtlinie vereinbar. Von einer Vorabkontrolle der Kenntnisse sei
abgesehen worden, um Anwälten die Ausübung der Niederlassungsfreiheit zu
erleichtern. Gleichzeitig weist der EuGH auf die in der Richtlinie verankerten
Regeln zum Schutz der Rechtssuchenden und der geordneten Rechtspflege hin: So
ist der europäische Anwalt u.a. verpflichtet, seine Tätigkeit aus Gründen der
Transparenz unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung auszuüben (Art. 4)
und er unterliegt nicht nur den Berufsregeln des Herkunfts-, sondern auch des
Aufnahmestaats (Art. 6, 7). Der Anwalt kann disziplinarrechtlich (entsprechend
3.1.3. der CCBE-Berufsregeln)
gehalten sein kann, ein Mandant abzulehnen, wenn seine Sprachkenntnisse nicht
ausreichen.
Das Verfahren C-506/04
betrifft zudem das luxemburgische Rechtsmittelsystem bei Nichtzulassung zur
Anwaltschaft. Vor dem Hintergrund, dass Art. 9 der Niederlassungsrichtlinie
vorschreibt, dass gerichtliche Rechtsmittel nach dem innerstaatlichen
Recht" offen stehen müssen, hatte der EuGH darüber zu befinden, inwiefern
der Weg zu den Rechtsmittelinstanzen des luxemburgischen Conseil disciplinaire
et administratif und Conseil disciplinaire et administratif d'appel einen
effektiven Rechtsschutz gewährt. Dieser bedinge, so der EuGH, die Unabhängigkeit
und Unparteilichkeit der entscheidenden Stelle. Da die Überprüfung der Tatsachenfeststellungen
allein durch diese Organe, deren Mitglieder mehrheitlich bereits an der
erstinstanzlichen Entscheidung mitwirken, möglich ist, sei keine hinreichende
Gewähr für die Unparteilichkeit geboten.
Frühere Berichte: 10/2006
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