Büro
Brüssel
Ausgabe 19/2006 19.10.2006
Themen
in dieser Ausgabe: ·
Entschließung zu freiberuflichen Dienstleistungen ·
Vertragsverletzungsverfahren
gegen deutsche Notare ·
Rahmenbeschluss über die
gegenseitige Anerkennung von Einziehungsentscheidungen |
·
Künftige Maßnahmen auf dem Gebiet der Patente ·
Grundrechte-Agentur ·
Wahlen am EuGH ·
Ziele der deutschen
EU-Ratspräsidentschaft im Bereich Justiz |
Wettbewerb
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Entschließung
zu freiberuflichen Dienstleistungen
Das EP hat am 12. Oktober 2006 auf Grundlage des Initiativberichts
von MdEP Dr. Ehler eine zweite Entschließung
zu dem Follow-up
zum Bericht über den Wettbewerb bei freiberuflichen Dienstleistungen
verabschiedet. Speziell für die Rechtsberufe hat das EP bereits im März 2006
eine Resolution
angenommen. Erfreulich ist, dass wie zuvor bereits der Wirtschaftsausschuss
auch das EP das Recht für Regelungen auf Grund von traditionellen,
geographischen und demographischen Besonderheiten ausdrücklich anerkennt.
Demgegenüber vertritt es die Auffassung, dass Fest- und Mindestpreise geeignet
sind, die Qualität der Dienstleistung und den Wettbewerb zu beeinträchtigen,
und fordert die Mitgliedstaaten zur Abschaffung dieser Regelungen auf. Die
vorgeschlagene Abänderung, dass die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern nur
akzeptiert werden könne, wenn dies im öffentlichen Interesse erforderlich sei,
wurde mit knapper Mehrheit abgelehnt.
Frühere Berichte: 6/2006,
17/2006
Freizügigkeit
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Vertragsverletzungsverfahren gegen deutsche Notare
Die Kommission hat neben sechs
weiteren Mitgliedstaaten (Belgien, Frankreich, Griechenland, Luxemburg,
Niederlande, Österreich) auch Deutschland durch Übersendung einer begründeten
Stellungnahme förmlich zur Änderung der Rechtsvorschriften aufgefordert,
die nur eigenen Staatsangehörigen den Zugang zum Notarberuf gestatten. Diese
Vorschriften stellen einen Verstoß gegen die in Art. 43 EG
verankerte Niederlassungsfreiheit dar, der nicht durch Art. 45 EG
gerechtfertigt sei, so die Kommission. Art. 45 EG
begrenzt den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit, soweit eine
Tätigkeit mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden ist. Nach Auffassung der Kommission übt der Notar keine hoheitlichen Befugnisse aus,
da er keine Entscheidung gegen den Willen der Parteien, die er berät,
durchsetzen kann. Die Aufforderung ist die zweite Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens
(Art. 226 EG).
Sofern die Mitgliedstaaten nicht innerhalb von zwei Monaten der Forderung der
Kommission nachkommen, kann die Kommission Klage vor dem EuGH erheben. Weitere
neun Staaten (Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien,
Tschechien, Ungarn) sehen sich aus ähnlichen Gründen Mahnverfahren der
Kommission gegenüber, der ersten Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens.
Strafrecht
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Rahmenbeschluss über die
gegenseitige Anerkennung von Einziehungsentscheidungen
Am
6. Oktober 2006 hat der Rat nunmehr den Rahmenbeschluss
über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Einziehungsentscheidungen
einstimmig angenommen,
nachdem bereits am 8. Juni 2004 eine politische Einigung über den Vorschlag
erzielt worden war. Ziel des Rahmenbeschlusses ist die Erleichterung der
Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten bei der gegenseitigen Anerkennung
und Vollstreckung von Entscheidungen zur Einziehung von Vermögensgegenständen.
Die Mitgliedstaaten sind danach verpflichtet, die in einem anderen
Mitgliedstaat erlassene Einziehungsentscheidung grundsätzlich ohne jede weitere
Formalität anzuerkennen und unverzüglich zu vollstrecken. Es ist vorgesehen,
dass keine Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit durch den vollstreckenden
Staat stattfindet, wenn die der Einziehungsentscheidung zugrunde liegende
Straftat im Entscheidungsstaat mit einer Freiheitsstrafe von mindestens drei
Jahren bedroht ist. Die Vollstreckung kann ausnahmsweise verweigert werden,
z.B. wenn der Betroffene wegen derselben Tat bereits in einem anderen Staat
verurteilt wurde oder die gerichtliche Entscheidung in seiner Abwesenheit
erging.
Wirtschaftsrecht
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Künftige
Maßnahmen auf dem Gebiet der Patente
Das EP hat am 12. Oktober 2006 eine Entschließung
zur künftigen Patentpolitik in Europa angenommen. Vor dem Hintergrund der
Notwendigkeit eines effizienten, wettbewerbsfähigen und kosteneffektiven Patentsystems
und der Schwierigkeiten bei der Verabschiedung einer Regelung
für ein Gemeinschaftspatent fordert es die Kommission zur Prüfung aller
Möglichkeiten auf, um die Patentsysteme sowie die Systeme zur Beilegung von
Patentstreitigkeiten in der EU zu verbessern. Es müsse der Beitritt zum Münchner
Patent-Übereinkommen sowie die Überarbeitung der
Gemeinschaftspatentvorschläge geprüft und die Diskussionen um das Europäische
Übereinkommen über Patentstreitigkeiten (EPLA) weitergeführt werden, dessen
Text aber erheblich verbessert werden müsse. Verbesserungsbedarf bestehe bei
der demokratischen Kontrolle, der Unabhängigkeit der Justiz und die Kosten für
Streitigkeiten. Das EP fordert darüber hinaus eine Stellungnahme des
Juristischen Dienstes des EP zu den EU-bezogenen Aspekten des möglichen
Abschlusses des EPLA durch die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Überschneidungen
mit dem gemeinschaftlichen Besitzstand sowie zur Klärung der
Rechtssetzungskompetenzen.
Frühere
Berichte: 2/2006,
14/2006
Grundrechte
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Grundrechte-Agentur
Der Vorschlag
für eine Verordnung zur Errichtung einer Agentur der EU für Grundrechte war
sowohl Thema beim Rat
der Justiz- und Innenminister am 5./6. Oktober 2006 als auch im Plenum des
EP am 12. Oktober 2006. Die Agentur soll die Einhaltung der in der
EU-Grundrechtecharta sowie der EMRK verankerten Grundrechte überwachen und dazu
Informationen und Daten sammeln, erfassen, analysieren und verbreiten. Zudem
soll sie Studien, Gutachten sowie einen Jahresbericht über Grundrechtsfragen
erstellen und Informationsnetze aufbauen. Offen ist aber derzeit noch, ob die
Zuständigkeit der Agentur auch auf den Bereich der polizeilichen und
justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen (Titel VI EU) ausgeweitet werden
soll. Das EP tritt für eine Stärkung der Kompetenzen der Agentur ein. Da
hierüber mit dem Rat und der Kommission bislang keine Einigung erzielt werden
konnte, nahm das EP zwar eine Reihe von Änderungen
an, verschob aber seine Endabstimmung.
Frühere
Berichte: 14/2005
Personalia
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Wahlen am EuGH
Der Präsident
des EuGH Vassilios Skouris, der dieses Amt seit Oktober 2003 innehat, wurde
für die Zeit bis zum 6. Oktober 2009 bestätigt. Skouris, der sein juristisches
Staatsexamen an der Freien Universität Berlin abgelegt hat und an den
Universitäten Hamburg, Bielefeld und Thessaloniki lehrte, war u.a. Innenminister,
Mitglied des Wissenschaftsrats des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten
und Vorsitzender des griechischen Wirtschafts- und Sozialrats bevor er 1999 zum
Richter am EuGH berufen wurde. Die Richter des EuGH wählten darüber hinaus die Präsidenten
der Kammern mit fünf Richtern. Für eine Dauer von drei Jahren wurden Peter
Jann (1. Kammer), Christiaan Timmermans (2. Kammer), Allan Rosas (3. Kammer)
und Koen Lenaerts (4. Kammer) ernannt. Für eine Dauer von einem Jahr wurden die
Präsidenten
der Kammern mit drei Richtern gewählt: Romain Schintgen (5. Kammer), Pranas
Kūris (6. Kammer), Ján Klučka
(7. Kammer), Endre Juhász (8. Kammer). Zudem wurde Juliane Kokott für die Dauer
eines Jahres zur Ersten Generalanwältin ernannt. Für die ausscheidende
Richterin Ninon Colneric wurde Thomas von Danwitz ernannt. Auch die
Generalanwältin Stix-Hackl, Richter Jean-Pierre Puissochet, Generalanwalt Philippe
Léger, Richter Stig Von Bahr und Generalanwalt Leendert Geelhoed schieden aus
ihrem Amt aus.
Sonstiges
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Ziele
der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Bereich Justiz
Deutschland wird im ersten Halbjahr
2007 die Ratspräsidentschaft innehaben. Schwerpunkte möchte Deutschland im
Bereich der Justiz auf die Bürgerrechte, Rechtssicherheit und die Verbesserung
der praktischen Zusammenarbeit von Gerichten und Justizbehörden legen. So
möchte der deutsche Vorsitz die Stärkung der Bürgerrechte durch Arbeiten an dem
seit 2004 vorliegenden Rahmenbeschluss
über bestimmte Verfahrensrechte in
Strafverfahren innerhalb der EU voranbringen.
In diesem Zusammenhang plant auch die BRAK eine Veranstaltung zu Beginn des
Jahres 2007. Außerdem sollen die Verhandlungen über den Rahmenbeschluss
über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wieder aufgenommen werden. Zudem
wird eine Präzisierung der Definitionen angestrebt, die in bisherigen
Rechtsinstrumenten (so dem Europäischen
Haftbefehl) die Basis für eine Anerkennung und Vollstreckung einer
Anordnung aus einem anderen Mitgliedstaat ohne Prüfung der doppelten
Strafbarkeit darstellen.
Zugunsten
größerer Rechtssicherheit sollen u.a. die Vorschläge zum anwendbaren Recht in Unterhalts-,
Scheidungs-
und Erbschaftssachen,
die Verordnungen Rom
I und Rom
II vorangebracht und die Verordnung
über geringfügige Forderungen verabschiedet werden. Weiterhin möchte der
deutsche Vorsitz die Arbeiten an der Schaffung einer Europäischen
Privatgesellschaft fördern, sich für die Verbesserung des europäischen
Patentsystems einsetzen und den europäischen Verbraucherschutz stärken. Mehr
Kohärenz verspricht sich die deutsche Präsidentschaft auch von den Arbeiten
an einem gemeinsamen Referenzrahmen für ein Europäisches Vertragsrecht.
Zur Stärkung der Justiz und praktischen
Zusammenarbeit sollen die Vernetzung der Strafregister und der Austausch
der Informationen aus Strafregistern vorangetrieben werden. Die Arbeiten
zum Rahmenbeschluss
zur Europäischen Vollstreckungsanordnung sollen abgeschlossen und eine
Initiative zur grenzüberschreitenden Bewährungsüberwachung vorgelegt werden.
Zudem sollen Lösungen zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten
zwischen nationalen Strafverfolgungsbehörden gefördert werden.
Impressum Bundesrechtsanwaltskammer, Büro Brüssel,
Avenue de Tervuren 142-144, B-1150 Brüssel, Tel: 0032-2-743 86 46, Fax:
0032-2-743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.be Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher, RAin Mila Otto, LL.M. und Natalie Barth |
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