Büro
Brüssel
Ausgabe 23/2006 14.12.2006
Themen
in dieser Ausgabe: ·
EuGH-Urteil zur
Rechtmäßigkeit von Mindestgebühren für anwaltliche Tätigkeit · Verabschiedung
der Dienstleistungsrichtlinie |
· Agentur der
Europäischen Union für Grundrechte beschlossen · Grünbuch
Wirksamer diplomatischer Schutz KOM(2006)712 ·
Neue Kommissare |
Wettbewerb
|
EuGH-Urteil
zur Rechtmäßigkeit von Mindestgebühren für anwaltliche Tätigkeit
In den verbundenen Rechtssachen
Cipolla sowie Macrino und Capodarte
hat der EuGH am 5. Dezember 2006 sein Urteil
verkündet. In den Verfahren geht es um die europarechtliche Rechtmäßigkeit von
Mindestgebühren für außergerichtliche anwaltliche Tätigkeit in Italien.
Gegenstand der Vorabentscheidungsersuchen waren vor allem die Fragen, ob die
Festlegung von Mindesthonoraren gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstößt
sowie ob Mindesthonorare gegen die europäische Freizügigkeit, insbesondere
gegen die Dienstleistungsfreiheit verstoßen. Im vorliegenden Urteil des EuGH
wird unter Berufung auf die ständige Rechtsprechung des EuGH ein Verstoß gegen
das europäische Wettbewerbsrecht verneint, da es sich bei der italienischen
Gebührenordnung um ein staatliches Gesetz handelt. Zur Frage, ob ein Verstoß
gegen die Dienstleistungsfreiheit im Sinne von Art. 49 EG vorliegt, stellt der
EuGH zunächst fest, dass das Verbot, von den durch die Gebührenordnung
festgesetzten Mindesthonoraren abzuweichen, den Zugang von ausländischen
Anwälten zum italienischen Markt für juristische Dienstleistungen erschweren
kann und somit geeignet ist, die Ausübung ihrer Dienstleistungstätigkeiten in
diesem Mitgliedstaat zu beschränken. Der EuGH sieht jedoch - anders als der
Generalanwalt ein Verbot der Gebührenunterschreitung als gerechtfertigt an,
wenn es zwingenden Gründen des Allgemeinwohls entspricht, geeignet ist, die
Verwirklichung des mit ihm verfolgten Zieles zu gewährleisten und nicht über
das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Zwingende
Gründe des Allgemeininteresses könnten der Schutz der Verbraucher sowie eine
geordnete Rechtspflege sein. Die Entscheidung, ob dieses in Italien und bei den
vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren der Fall ist, gibt der EuGH an die
Ausgangsgerichte zurück. Dabei gibt er ihnen genaue Anweisungen, welche Aspekte
sie bei der Prüfung zu berücksichtigen haben. Das Urteil gibt ausdrücklich den
Mitgliedstaaten die Kompetenz, darüber zu entscheiden, welche Regelungen
angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten tatsächlich den Zielen des
Verbraucherschutzes und der geordneten Rechtspflege Rechnung tragen und damit
die Beschränkung nach Art. 49 EG rechtfertigen.
Frühere
Berichte: 2/2006
Freizügigkeit
|
Verabschiedung
der Dienstleistungsrichtlinie
Am
11. Dezember 2006 hat der Rat die Richtlinie
über Dienstleistungen im Binnenmarkt mit qualifizierter Mehrheit
verabschiedet. Bereits am 15. November 2006 war die Richtlinie in zweiter
Lesung vom EP gebilligt worden. Die Dienstleistungsrichtlinie wird damit am Tag
ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft treten. Ab diesem Datum haben die
Mitgliedstaaten drei Jahre Zeit, die erforderlichen Umsetzungsbestimmungen zu
schaffen. Erfreulich ist aus Sicht der
Anwaltschaft, dass Art. 3 ausdrücklich klarstellt, dass die berufsspezifischen
Richtlinien, also auch die anwaltsspezifischen Richtlinien, der Richtlinie über
Dienstleistungen im Binnenmarkt vorgehen. Art. 17 Nr. 4 regelt explizit die
Ausnahme der Dienstleistungsrichtlinie für Rechtsanwälte von der
Dienstleistungsfreiheit. Gleiches gilt für Vorbehaltsaufgaben (vgl. Art. 17 Nr.
6), also auch die Rechtsberatung, und die gerichtliche Beitreibung von
Forderungen (Art. 17 Nr. 5). Damit wurde allen wichtigen Forderungen der BRAK
Rechnung getragen.
Frühere Berichte: 1/2004,
12/2004,
2/2005,
3/2005,
5/2005,
6/2005,
11/2005,
12/2005,
13/2005,
14/2005,
15/2005,
17/2005,
18/2005,
22/2005,
3/2006,
7/2006,
15/2006,
20/2006,
21/2006
Grundrechte
|
Agentur der
Europäischen Union für Grundrechte beschlossen
Die Einrichtung einer Agentur
der Europäischen Union für Grundrechte wurde am 4. Dezember 2006 vom Rat
beschlossen. Die Agentur soll im
Frühjahr 2007 ihre Arbeit in Wien aufnehmen und den Organen der Gemeinschaft
sowie den Mitgliedstaaten Unterstützung bei ihren Bemühungen im Rahmen der
Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts und der uneingeschränkten Achtung der
Grundrechte gewähren. Sie soll in
völliger Unabhängigkeit Daten über die praktischen Auswirkungen von Maßnahmen
der EU auf die Grundrechte sowie über bewährte Praktiken zum Schutz und zur
Förderung der Grundrechte sammeln, erfassen, analysieren und verbreiten.
Außerdem soll ihr das Recht zustehen, auf eigene Initiative oder auf Ersuchen
der EU-Institutionen Gutachten zu allgemeinen Themen im Zusammenhang mit der
Durchführung des Gemeinschaftsrechts auszuarbeiten. Es ist vorgesehen, dass die
Agentur einen Jahresbericht über die Lage der Grundrechte, themenspezifische
Berichte und einen jährlichen Tätigkeitsbericht veröffentlicht. Neben dieser
neutralen Gutachterfunktion soll die Agentur die Öffentlichkeit u. a. durch
Konferenzen, Kampagnen und öffentliche Dokumentationen für Grundrechte
sensibilisieren. Die Frage der Ausweitung der Kompetenzen der Agentur auf den
Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen hat
der Rat zunächst offen gelassen. Er erklärte, dass er sich dieser Frage bis 31.
Dezember 2009 annehmen wolle. Demgegenüber hat sich das EP am
30. November 2006 für
eine Erstreckung des Tätigkeitsbereichs der Agentur auf die sog. Dritte
Säule ausgesprochen.
Frühere
Berichte: 14/2005,
19/2006
Grünbuch
Wirksamer diplomatischer Schutz KOM(2006)712
Mit
dem Grünbuch
Wirksamer diplomatischer Schutz hat die Kommission eine bis zum 31. März
2007 laufende Konsultation zu möglichen Initiativen eingeleitet, die den konsularischen
und diplomatischen Schutz von EU-Bürgern in Drittstaaten besser gewährleisten
sollen. Art. 20 EG garantiert EU-Bürgern, deren Staat keine Vertretung in dem
Reiseland hat, den gleichen diplomatischen Schutz wie den Bürgern von
EU-Mitgliedstaaten, die eine diplomatische Beziehung zu dem Land unterhalten,
allerdings kennen laut einer Eurobarometer Umfrage bislang nur 23% der
Befragten dieses Recht. Um diesem abzuhelfen, schlägt die Kommission vor, Art.
20 EG in den nationalen Reisepässen abzudrucken. Außerdem wird im Grünbuch
angeregt, den konsularischen Schutz auf Familienangehörige auszudehnen, die die
Staatsangehörigkeit eines Drittstaats besitzen. Zudem sollen die Verfahren für
finanzielle Vorleistungen vereinfacht und gemeinsame Stellen eingerichtet
werden, um eine kohärente Organisation zu erreichen sowie um bei den Strukturen
der diplomatischen und konsularischen Netze der Mitgliedstaaten Kosten
einzusparen. Besonderes Augenmerk soll aber auf die Aufklärung gelegt werden.
Mit Hilfe von Reiseagenturen startet die Kommission daher in elf
Mitgliedstaaten eine Informationskampagne.
Personalia
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Neue
Kommissare
Das
EP hat am 12. Dezember 2006 die designierten
Kommissare von Bulgarien, Frau Meglena Kuneva und Rumänien, Herrn
Leonard Orban, mit großer Mehrheit bestätigt. Beide werden ihr Amt mit dem
EU-Beitritt ihrer Länder am 1. Januar 2007 antreten und bis 2009 ausüben. Frau
Kuneva übernimmt das Ressort Verbraucherschutz, Herr Orban wird für die
Mehrsprachigkeit zuständig sein. Zum ersten Mal war die Konsultation des EP
über die Bestellung neuer Kommissare in den Beitrittsverträgen beider Länder
ausdrücklich vorgesehen.
Impressum Bundesrechtsanwaltskammer, Büro Brüssel,
Avenue de Tervuren 142-144, B-1150 Brüssel, Tel: 0032-2-743 86 46, Fax:
0032-2-743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.be Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher, RAin Mila Otto, LL.M. und Natalie Barth |
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