Büro
Brüssel
Ausgabe
07/2008 10.04.2008
Themen
in dieser Ausgabe: -
Verabschiedung der Verbraucherkreditrichtlinie - JURI-Bericht zum Richtlinienvorschlag über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt -
Runder Tisch zur Terrorismusgesetzgebung im EP -
Weißbuch zu Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EG- Wettbewerbsrechts |
- AFCO-Bericht zur Transparenzinitiative
EuGH -
Anspruch des gleichgeschlechtlichen Lebenspartners auf Witwenrente aus
einem berufsständischen Versorgungssystem - Rechtsprechungsstatistiken des EuGH für 2007 -
Jahresbericht zur Umsetzung der EGMR-Urteile - AIJA-Regionaltreffen und Seminar zu Handelsverträgen |
Zivilrecht
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Verabschiedung der Verbraucherkreditrichtlinie
Die
Verbraucherkreditrichtlinie
ist nach fast sechsjährigem Legislativverfahren am 7. April 2008 vom Rat
verabschiedet worden. Sie soll eine
größere Transparenz und Effizienz des Marktes für Kredite zwischen 200 und 75.000
schaffen und die Rechtssicherheit
beim Abschluss grenzüberschreitender Kreditverträge für Verbraucher verbessern.
Durch die Richtlinie
werden die Bestimmungen zur Werbung und von bestimmten Standardinformationen
bei Verbraucherkreditverträgen in den Mitgliedstaaten harmonisiert. Der mit einem
Zinssatz werbende Kreditgeber wird künftig zusätzliche Angaben zu den
Kreditbedingungen machen müssen. Außerdem bestehen umfangreiche
Informationspflichten über die Vertragskonditionen. Schon vor Abschluss eines
Vertrags müssen dem Verbraucher mittels eines EU-weit einheitlichen Formulars
detaillierte Informationen u.a. über Bedingungen, Kosten und die
Verpflichtungen, die durch den Vertrag entstehen, erteilt werden. Dies soll
auch der Vergleichbarkeit der Kreditbedingungen dienen. Bei Vertragsabschluss
müssen sämtliche Informationen in den Vertrag aufgenommen werden. Es besteht
ein 14-tägiges Recht auf Widerruf des Vertrags, das ohne Angabe von Gründen
beansprucht werden kann und keine Vertragsstrafe nach sich zieht. Bei der
vorzeitigen Rückzahlung des Kredits kann der Kreditgeber eine - der Höhe nach begrenzte - Entschädigung
verlangen. Nicht vom Geltungsbereich der Richtlinie erfasst sind u. a.
Kreditverträge, die Grundpfandrechte sichern oder dem Erwerb von Immobilien
dienen.
Nach
Veröffentlichung im Amtsblatt der EU ist die Richtlinie innerhalb von zwei
Jahren von den Mitgliedstaaten umzusetzen.
Frühere
Berichte: 6/2007,
10/2007,
04/2008
Strafrecht
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JURI-Bericht zum Richtlinienvorschlag
über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt
Der
Rechtsausschuss
des EP hat am 8. April 2008 den Bericht
des Abgeordneten Nassauer zum Vorschlag
für eine Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt angenommen.
Darin wird der von der Kommission vorgeschlagenen, auch von der BRAK als zu
umfassend kritisierten,
Anweisung zum Erlass strafrechtlicher Tatbestände und Sanktionen eine Absage
erteilt. Damit wird der Rechtsprechung
des EuGH entsprochen, nach der der Gemeinschaftsgesetzgeber zwar
strafrechtliche Maßnahmen ergreifen darf, wenn dies zur Durchführung
europäischer Umweltgesetzgebung erforderlich ist, Bestimmungen zu Art und Maß
der Sanktionen jedoch im alleinigen Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten
verbleiben. Zur Wahrung des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots sieht der
Bericht die Aufnahme eines Anhangs zur Richtlinie mit denjenigen
umweltrechtlichen europäischen Rechtsvorschriften vor, deren Verletzung eine
strafrechtliche Folge auslösen kann. Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit
sollen nur rechtswidrige Handlungen sein, Anstiftung und Beihilfe sollen nur zu
vorsätzlichen Handlungen strafbar sein. Nach dem Kommissionsvorschlag sollen
auch vorsätzliche oder grob fahrlässige umweltschädigende Handlungen strafbar
sein, wenn sie den Tod oder eine schwere Körperverletzung von Personen
verursachen. Entgegen dem Vorschlag der Kommission will der Rechtsausschuss
zudem auch Bagatellverstöße nicht mit strafrechtlichen Sanktionen belegen.
Frühere Berichte: 17/2005,
22/2005,
03/2007
Runder
Tisch zur Terrorismusgesetzgebung im EP
Am 7. April 2008 hat der Ausschuss
Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des EP einen Runden
Tisch veranstaltet. Gemeinsam mit Vertretern der Kommission, des Rates, Europol, Eurojust
und des Europarates sowie der nationalen Regierungen wurde über die
Notwendigkeit der Änderung
des vom Rat im Jahre 2002 erlassenen Rahmenbeschlusses
zur Terrorismusbekämpfung diskutiert.
Kernthema war die Neufassung der
mitgliedsstaatlichen Straftatbestände, durch die bereits die öffentliche
Aufforderung zur Begehung einer terroristischen Straftat als erfasst werden
soll. Auf die neuen Herausforderungen des Terrorismus, insbesondere durch die
Nutzung moderner Technologien, sei bessere Prävention die passende und
effektive Antwort. Obwohl die Änderungsvorschläge weitgehend begrüßt wurden,
wiesen zahlreiche Vertreter darauf hin, dass man sich bei einer derartigen
Neudefinierung der Straftatbestände in einer heiklen Grauzone befinde. Oberstes
Ziel müsse das Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Freiheit der EU-Bürger
sein. Zwar sei der Subsidiaritätsgrundsatz gewahrt und eine Gesetzgebung im
Wege eines Rahmenbeschlusses auf
Grundlage des Art. 34 Abs. 2 lit. b) EU möglich. Insbesondere die
deutschen Vertreter betonten aber, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
gewahrt werden müsse. Der derzeitige Änderungsentwurf laufe durch die
Vorverlagerung strafrechtlicher Verantwortlichkeit in den Bereich strafbarer
Gedanken auf ein Gesinnungsstrafrecht hinaus. Die Terminologie des Aufforderns
sei zu weit gefasst.
Am 18. April 2008 will der Rat über die
endgültige Fassung entscheiden.
Wettbewerb
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Weißbuch
zu Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts
Am 2. April 2008 hat die
Kommission das Weißbuch
zur Verbesserung von Schadensersatzklagen wegen Verletzung des
EG-Wettbewerbsrechts vorgelegt. Hintergrund sind die Bestrebungen der Generaldirektion
Wettbewerb ein System zur privaten Durchsetzung von Ansprüchen wegen
Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts zu schaffen, um eine vollständige Entschädigung
der geschädigten Bürger und Unternehmen zu gewährleisten. Derzeit würden
Geschädigte oftmals aus Kosten-Nutzen-Erwägungen vor der gerichtlichen
Anspruchsdurchsetzung zurückschrecken und so unkompensiert bleiben, während das
Unternehmen keine Konsequenzen für sein rechtswidriges Verhalten zu tragen
habe. Dieses Defizit hat die Kommission bereits in ihrem dem Weißbuch
vorangegangenen Grünbuch
auf Hindernisse in den materiellen und verfahrensrechtlichen Vorschriften der
Mitgliedstaaten zurückgeführt. Durch die Einführung kollektiver
Rechtsschutzinstrumente könnten Private, insbesondere Verbraucher und KMU, in
die Lage versetzt werden, auch geringwertige Einzelforderungen durchzusetzen.
Die Kommission schlägt zwei Instrumente zum Vorgehen gegen Verstöße gegen das
EG-Wettbewerbsrecht vor: Von qualifizierten
Einrichtungen könnten Verbandsklagen
für eine Gruppe bezeichneter oder identifizierbarer Einzelpersonen erhoben
werden. Außerdem könnten die Geschädigten sich zu Opt-in-Gruppenklagen zusammenschließen, um ihre jeweiligen
Schadensersatzansprüche in einer einzigen Klage zusammenzufassen. In bestimmten
Fällen sieht auch die BRAK
eine Notwendigkeit für Instrumente kollektiver Rechtsdurchsetzung.
Zu den auch von der Generaldirektion
Verbraucherschutz angestoßenen Überlegungen zur Einführung kollektiver
Rechtsschutzinstrumente im Rahmen der Verbraucherpolitischen
Strategie hat sich am 7. April 2008 der Binnenmarktausschuss
des EP mit der Annahme eines Berichts
dafür ausgesprochen, Rechtsinstrumente wie Sammel- oder Musterklagen mit Blick
auf die schlechten US-amerikanischen Erfahrungen nur restriktiv zu prüfen. Er
betont, dass Streitigkeiten zwischen Unternehmen und Verbrauchern in erster
Linie außergerichtlich beigelegt werden sollten.
Stellungnahmen zum Weißbuch können bis zum 15. Juli 2008 an die Kommission gerichtet werden.
Frühere Berichte: 1/2006,
9/2007
Institutionen
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AFCO-Bericht zur Transparenzinitiative
Am 1. April 2008 nahm der Ausschuss für konstitutionelle Angelegenheiten des EP den Bericht des Berichterstatters Alexander Stubb über die Entwicklung des Regelungsrahmens für die Tätigkeit von Interessenvertretern bei den EU-Institutionen an. In dem Bericht wird die Notwendigkeit eines transparenten Lobbyismus betont und die Einrichtung eines gemeinsamen Lobbyistenregisters aller EU-Organe unterstützt. Es ist vorgesehen, dass Organisationen, die ihre Beiträge in einer Internetkonsultation vorlegen, automatisch aufgefordert werden, in dem freiwilligen Register anzugeben, wen sie vertreten, welchen Auftrag sie haben und wie sie finanziert werden. Es ist ferner vorgesehen, dass derjenige, der sich in das Register einträgt, sich auch einem Verhaltenskodex unterwirft. Alle Interessenvertreter sollen sich in das Register eintragen und dem Verhaltenskodex unterliegen, auch Anwälte werden ausdrücklich genannt. Wenn die Tätigkeit des Anwalts darauf abzielt, Einfluss auf die Politikgestaltung und nicht auf konkrete Fälle (case law) zu nehmen, handelt es sich um Interessenvertretung. Im Hinblick auf das anwaltliche Berufsrecht und insbesondere die Verschwiegenheitspflicht des Anwalts wird dies von der Anwaltschaft kritisiert und gefordert, dass für anwaltliche Tätigkeit den Besonderheiten des anwaltlichen Berufsrechts Rechnung getragen wird. Ansonsten werden Anwälte sich nicht in das Lobbyistenregister eintragen können.
Voraussichtlich wird das Plenum am 8. Mai 2008 abstimmen.
Frühere
Berichte: 09/2006,
06/2007,
19/2007,
22/2007
EuGH
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Anspruch des gleichgeschlechtlichen Lebenspartners auf
Witwenrente aus einem berufsständischen Versorgungssystem
Mit
Urteil in der Rechtssache
Tadao Maruko ./. Versorgungsanstalt deutscher Bühnen vom 1. April 2008 hat
der EuGH entschieden, dass ein gleichgeschlechtlicher Lebenspartner einen
Anspruch auf eine Witwenrente aus einem berufsständischen Versorgungssystem
haben kann. Die Weigerung, Lebenspartnern die
Hinterbliebenenversorgung zu gewähren, stelle eine unmittelbare Diskriminierung
wegen der sexuellen Ausrichtung dar, falls sich überlebende Ehegatten und
überlebende Lebenspartner in Bezug auf diese Versorgung in einer vergleichbaren
Situation befänden. Das nationale
Gericht habe demnach zu prüfen, ob sich der überlebende Lebenspartner in einer
derartigen Situation befände. Folglich wird ein solcher Anspruch bei Vorliegen
seiner Voraussetzungen wohl auch gegen das anwaltliche Versorgungswerk des
jeweiligen Landes einklagbar sein.
Rechtsprechungsstatistiken
des EuGH für 2007
Die Rechtsprechungsstatistiken des Gerichtshofs für 2007 zeigen eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Vorjahr. Insbesondere hat sich die Dauer der Verfahren vor dem EuGH das vierte Jahr hintereinander verkürzt, und die Zahl der erledigten Rechtssachen ist im Vergleich zu 2006 um 10 % gestiegen. So hat der EuGH im Jahr 2007 551 Rechtssachen abgeschlossen. Die durchschnittliche Verfahrensdauer betrug bei Vorabentscheidungsverfahren im Jahr 2007 19,3 Monate, die kürzeste Dauer seit 1995. Die durchschnittliche Dauer der Klage- und der Rechtsmittelverfahren betrug im Jahr 2007 18,2 bzw. 17,8 Monate (20 Monate bzw. 17,8 Monate im Jahr 2006). 2007 gingen beim Gerichtshof 580 neue Rechtssachen ein, was die höchste Zahl in der Geschichte des Gerichtshofs und eine Zunahme um 8 % gegenüber den 2006 bzw. 22,3 % gegenüber den 2005 neu eingegangenen Rechtssachen darstellt. Schließlich hat der Gerichtshof erheblich häufiger von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ohne Schlussanträge des Generalanwalts zu entscheiden: 2007 sind ungefähr 43 % der Urteile ohne Schlussanträge ergangen (33 % im Jahr 2006).
Grundrechte
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Jahresbericht zur Umsetzung
EGMR-Urteile
Am
26. März 2008 hat das Ministerkomitee des Europarates den Jahresbericht
über die Überprüfung der Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichthof für
Menschenrechte (EGMR) vorgestellt, in dessen Rahmen neben der Qualität der
Umsetzung der Urteile des EGMR auch auf die Entwicklungen im Bereich der
Verfahrensrechte, wie etwa der Unschuldsvermutung und Abwesenheitsurteile
eingegangen wurde. Als größtes Problem wird die stetig wachsende Anzahl von
Verfahren bewertet, die zukünftig durch effizientere und schnellere Verfahren
und eine bessere nationale Umsetzung bewältigt werden soll. Hierzu soll
beispielsweise ein Handbuch zu den Arbeits- und Verfahrensweise herausgegeben
und der Zugang zu Informationsdatenbanken verbessert werden, um auf diese Weise
den Staaten die Umsetzung der Urteile zu erleichtern.
Die
Verbesserung der Urteilsumsetzung und die Schaffung von EU-Mindeststandards für
strafprozessuale Verfahrensrechte, die jedoch nicht auf die vom EGMR
festgelegten beschränkt werden dürfen, hatte die BRAK in einer Stellungnahme
bereits aus 2007 gefordert.
Veranstaltungen
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AIJA-Regionaltreffen
und Seminar zu Handelsverträgen
Vom 5.-7. Juni 2008 findet in Konstanz
ein deutschsprachiges Regionaltreffen der Anwaltsvereinigung der jungen
Rechtsanwälte AIJA
statt. Das Seminar wird unter dem Motto Trau, schau, wem oder Lex Mercatoria -
Best Practice Guidelines bei grenzüberschreitenden Handelsverträgen stehen und
Gelegenheit bieten, Fragen des Wirtschaftsrechts, insbesondere der internationalen
handelsrechtlichen Vertragsgestaltung und -durchsetzung zu diskutieren. Das
Programm und Anmeldeformular finden sie hier.
Impressum Bundesrechtsanwaltskammer, Büro Brüssel,
Avenue des Nerviens 85, bte 9, B-1040 Brüssel, Tel: 0032-2-743 86 46, Fax:
0032-2-743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.eu Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher, RAin Mila Otto, LL.M. und Natalie Barth |
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