Büro Brüssel

Ausgabe 08/2008                                                                                                                24.04.2008

Themen in dieser Ausgabe:

Zivilrecht

·         EuGH: Wertersatzanspruch gegen Verbraucher gemeinschaftswidrig

·         Eurobarometer zur Ziviljustiz in der EU

·         Mediationsrichtlinie verabschiedet

·         Positionierung des Rats zum Europäischen Vertragsrecht

 

Wirtschaftsrecht

·         Vorschläge zum Abbau administrativer Auflagen im EU- Gesellschaftsrecht

 

 

 

Strafrecht

·         Rat einigt sich auf Verschärfung der Anti-Terror-Gesetzgebung

·         Politische Einigung über Beschluss zur Errichtung von Europol

 

Vertrag von Lissabon

·       Konsolidierte Fassungen

 


 

Zivilrecht

 

EuGH: Wertersatzanspruch gegen Verbraucher gemeinschaftswidrig

Die deutsche Regelung, wonach der Verkäufer im Falle der Nacherfüllung vom Käufer Wertersatz für die Nutzung der zunächst gelieferten vertragswidrigen Sache verlangen kann (§ 439 Abs. 4 i. V. m. § 346 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 1 BGB), ist gemeinschaftswidrig. Dies hat der EuGH am 17. April 2008 im Rahmen eines Vorlageverfahrens (C-404/06) entschieden, in dem der BGH die Frage an den EuGH gerichtet hatte, ob die deutsche Regelung im Widerspruch zur Verbrauchsgüterkaufsrichtlinie steht.

Der EuGH verweist darauf, dass wesentlicher Bestandteil des durch die Richtlinie gewährleisteten Verbraucherschutzes die in Art. 3 Abs. 3 geregelte Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts durch den Verkäufer ist. Daher sei jede finanzielle Forderung des Verkäufers im Rahmen der Erfüllung seiner Verpflichtung zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsguts ausgeschlossen.

So bestimme auch Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3, dass die Ersatzlieferung nicht nur innerhalb einer angemessenen Frist, sondern auch ohne Unannehmlichkeiten für den Verbraucher zu erfolgen habe. Auch sei dieser durch den Erhalt eines neuen Verbrauchsguts für das vertragswidrige Verbrauchsgut nicht ungerechtfertigt bereichert, da er durch Zahlung des Kaufpreises seiner vertraglichen Verpflichtung entsprochen habe und nun lediglich verspätet ein – wie von Anfang an geschuldetes - vertragsgemäßes Verbrauchsgut erhalte. Die finanziellen Interessen des Verkäufers seien durch die zweijährige Verjährungsfrist und die Möglichkeit geschützt, die Ersatzlieferung bei Unverhältnismäßigkeit der Kosten zu verweigern.

 

Eurobarometer zur Ziviljustiz in der EU

Laut dem am 23. April 2008 veröffentlichten Spezial-Eurobarometer zur Ziviljustiz in der EU sehen drei Viertel der befragten EU-Bürger eine Notwendigkeit für zusätzliche Maßnahmen zur Verbesserung des Zugangs zu Zivilgerichten in anderen Mitgliedstaaten.

Insbesondere herrscht bei den Bürgern Unsicherheit, wenn es um die Anrufung anderer mitgliedstaatlicher Zivilgerichte zur Geltendmachung ihrer Ansprüche sowie die Vollstreckung zivilgerichtlicher Entscheidungen in anderen Mitgliedstaaten geht. Als Gründe dafür werden insbesondere die Unkenntnis des Prozessrechts sowie Sprachbarrieren, aber auch die Verfahrenskosten und –länge sowie das mangelnde Vertrauen in die Verfahren genannt.

Diesem Missstand sollte nach Meinung der Befragten abgeholfen werden. Dabei sprachen sich knapp 47% für zusätzliche gemeinsame Regeln auf EU-Ebene, 27% für den Abschluss bilateraler Abkommen der Mitgliedstaaten aus.

Gefragt wurde auch nach der von den EU-Bürgern präferierten Rechtsordnung beim Abschluss grenzüberschreitender Verträge: 57% erklärten, sie würden – hätten sie die Wahl – einen Vertragsschluss auf Grundlage eines harmonisierten EU-Rechts bevorzugen. Die Geltung des nationalen Rechts – sei es der einen oder der anderen Partei – wurde weitaus weniger (im Durchschnitt: 15%) favorisiert.

Mit dem Zugang der EU-Bürger zur Justiz befasst sich auch ein Spezial-Eurobarometer aus dem Jahr 2004. Dies hatte ergeben, dass der überwiegende Anteil der EU-Bürger im Falle geringer Streitwerte von einer grenzüberschreitenden Rechtsverfolgung absieht. Die Kommission leitet u.a. hieraus einen Bedarf von Instrumenten der kollektiven Rechtsdurchsetzung ab. Die Einführung entsprechender Instrumente wird derzeit von den Generaldirektionen Wettbewerb sowie Verbraucherschutz verfolgt. Befasst sind die Institutionen zudem mit Überlegungen zu einem Europäischen Vertragsrecht (s. oben) – das langfristig möglicherweise als zusätzliche EU-Rechtsordnung zur Verfügung stehen könne.

Frühere Berichte: 1/2006, 9/ 2007, 7/2008

 

Mediationsrichtlinie verabschiedet

Mit der Annahme des Gemeinsamen Standpunktes durch das EP am 23. April 2008 ist die Richtlinie über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen verabschiedet. Der Kommissionsvorschlag lag bereits im Oktober 2004 vor.

Durch die Richtlinie soll die Beilegung von Streitigkeiten durch Mediation attraktiver gestaltet und dem EU-Bürger so der Zugang zum Recht erleichtert werden.

Nach der Richtlinie kann das Gericht die Parteien in grenzüberschreitenden Streitigkeiten in Zivil- und Handelssachen auffordern, freiwillig die Mediation in Anspruch zu nehmen. Die Mediation ist vertraulich: Die Richtlinie stellt klar, dass die am Mediationsverfahren Beteiligten nicht zur Offenlegung diesbezüglicher Informationen verpflichtet werden können. Strengere nationale Bestimmungen bleiben hiervon unberührt. Auch die BRAK hatte sich dafür eingesetzt, dass bei der Förderung der Mediation auf Gemeinschaftsebene bestehende Schweigerechte- und -pflichten von Mediatoren und Rechtsanwälten bestehen bleiben.

Bereits die Aufnahme der Mediationsverhandlungen hat eine Verjährungshemmung zur Folge, so dass beim Scheitern der Mediation die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auch zu einem späteren Zeitpunkt möglich bleibt. Hat die Mediation Erfolg, ist  das schriftlich festgehaltene Ergebnis vollstreckbar und wird wie ein Urteil behandelt.

Zur Sicherung der Qualität der Mediation empfiehlt die Richtlinie die Beachtung des Europäischen Verhaltenskodex für Mediatoren und die Grundsätze zu Verbraucherstreitigkeiten. Zudem sollen die Mitgliedstaaten die Aus- und Fortbildung von Mediatoren fördern.

Die Mitgliedstaaten sind innerhalb von drei Jahren zur Umsetzung der Richtlinie verpflichtet. Es steht den Mitgliedstaaten frei, die Bestimmungen auch auf innerstaatliche Verfahren anzuwenden.

 

Frühere Berichte: 11/2004, 02/2006, 08/2006, 06/2007, 21/2007, 5/2008

Positionierung des Rats zum Europäischen Vertragsrecht

Im Rahmen der voranschreitenden Arbeiten im Bereich des Europäischen Vertragsrechts hat der Rat am 18. April 2008 seine Unterstützung für die Schaffung eines Gemeinsamen Referenzrahmens für Europäisches Vertragsrecht (Common Frame of Reference – CFR) als ein Instrument für den Gemeinschaftsgesetzgeber zur besseren Rechtsetzung erklärt. Es soll Definitionen, allgemeine Grundsätze und Modellregeln des Vertragsrechts enthalten. Dabei soll es sich um nicht bindende Richtlinien handeln, die der Gemeinschaftsgesetzgeber auf freiwilliger Basis als gemeinsame Inspirationsquelle nutzen kann. Diese Position, die nach den Schlussfolgerungen des Rats im Oktober 2005 lange erwartet worden war, unterscheidet sich deutlich von der des EP. Dieses fordert - zuletzt mit einer Resolution am 12. Dezember 2007, sämtliche Optionen für den Zweck eines künftigen CFR offen zu halten. Dies beinhaltet auch die Bereitstellung eines optionalen Instruments, das als 28. Rechtsordnung von den Parteien vereinbart werden könnte. Auch die BRAK hält eine breite Diskussion über Inhalt und Zweck eines möglichen „politischen Gemeinsamen Referenzrahmens“ für wichtig. Um dies zu ermöglichen, fordert sie die Übersetzung des im Januar 2008 veröffentlichten akademischen Entwurfs eines Gemeinsamen Referenzrahmens (DCFR) in die Amtssprachen der EU.

Frühere Berichte: 5/2004, 20/2004, 23/2004, 17/2005, 18/2005, 6/2006, 11/2006, 17/2006, 3/2007, 05/2007, 6/2007, 7/2007, 8/2007, 11/2007, 15/2007, 17/2007, 1/2008, 5/2008

 

 

Wirtschaftsrecht

 

Vorschläge zum Abbau administrativer Auflagen im EU-Gesellschaftsrecht

Im Rahmen der Bemühungen um die Vereinfachung der Rahmenbedingungen für Unternehmen hat die Kommission am 17. April 2008 zwei Vorschläge für Änderungsrichtlinien vorlegt, die auf einen Abbau administrativer Auflagen insbesondere für KMU abzielen. Zum einen schlägt die Kommission die Änderung der „1. Richtlinie Gesellschaftsrecht“ sowie der „11. Richtlinie Gesellschaftsrecht“ vor Danach sollen die Unternehmen ihre geschäftlichen Daten künftig nicht mehr in den nationalen Amtsblättern veröffentlichen müssen, sondern eine chronologische elektronische Veröffentlichung über eine Zentralplattform – etwa die Homepage des Handelsregisters - soll ausreichend sein. Übersetzungen, welche bereits in einem Mitgliedstaat beglaubigt worden sind, sollen zudem bei Eröffnung einer Zweigstelle in einem anderen Mitgliedstaat (wieder-) verwendet werden können. Zum anderen wird eine Änderung der „4. Richtlinie Gesellschaftsrecht“ sowie der „7. Richtlinie Gesellschaftsrecht“ vorgeschlagen. Mittlere Unternehmen sollen von der Pflicht befreit werden, im Jahresabschluss detaillierte Angaben machen zu müssen. Muttergesellschaften, die untergeordnete Tochterunternehmen unterhalten, sollen überdies nicht mehr zur Aufstellung eines konsolidierten Jahresabschlusses verpflichtet sein.

Weitere Vorschläge sind nach Angaben der Kommission im Sommer zu erwarten.      

 

Strafrecht

 

Rat einigt sich auf Verschärfung der Anti-Terror-Gesetzgebung

Am 18. April 2008 erzielte der Rat eine gemeinsame Ausrichtung zum Rahmenbeschluss zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI zur Terrorismusbekämpfung. Danach soll der Rahmenbeschluss an das Abkommen des Europarates zur Verhütung von Terrorismus angeglichen und drei neue Straftatbestände aufgenommen werden: die öffentliche Aufforderung zur Begehung einer terroristischen Straftat sowie die Anwerbung und Ausbildung für terroristische Zwecke.

Die Änderungen tangieren die Freiheit der Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Achtung des Privatlebens. Das Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Freiheit der EU-Bürger soll auf deutsche Initiative – entsprechend dem Europaratsabkommen – durch die Integration des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in den Rechtsakt gewahrt werden. Zur Vermeidung eines Gesinnungsstrafrechts wurde davon abgesehen, bereits Vorbereitungshandlungen zu den betreffenden Taten unter Strafe zu stellen.

Zur Verabschiedung des Rahmenbeschlusses bedarf es noch der formellen Annahme im Rat. Diese könnte auf der Ratssitzung Anfang Juni 2008 erfolgen.

In Deutschland hat das Bundesjustizministerium ist jüngst einen Gesetzesentwurf zur Einführung der neuen Straftatbestände § 89a StGB-E (Vorbereitung einer Gewalttat) und § 91 StGB-E (Anleitung und Aufnahme von Beziehungen zur Begegnung einer schweren Gewalttat) vorgelegt.

Frühere Berichte: 21/2007, 7/2008

 

Politische Einigung über Beschluss zur Errichtung von Europol

Der Rat der Justiz- und Innenminister erzielte am 18. April 2008 eine politische Einigung zum Beschluss zur Errichtung des Europäischen Polizeiamtes (Europol), der das Europol-Übereinkommen ersetzen wird.

Durch den Beschluss wird Europol in eine Agentur der EU umgewandelt. Außerdem wird der Aufgabenbereich von Europol über die Prävention und Bekämpfung organisierten Verbrechens ausgeweitet werden: Der Beschluss hebt die derzeit geltende Einschränkung, dass tatsächliche Anhaltpunkte für eine kriminelle Organisationsstruktur vorliegen müssen, auf und ermöglicht Europol, wenn mehrere Mitgliedstaaten betroffen sind, auch die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung von Terrorismus und schweren Kriminalität.

Als EU-Agentur wird Europol aus dem Haushalt der EU finanziert werden. Gleichzeitig bekommt das EP bei der Aufstellung des Haushalts von Europol größere Mitspracherechte.

Die BRAK hatte die Ausweitung der Kompetenzen Europols und die Gewährung von Immunität von Europolbeamten bei operativem Tätigwerden in ihrer Stellungnahme kritisiert.

Frühere Berichte: 12/2005, 11/2007, 5/2008

 

 

 

Vertrag von Lissabon

 

Konsolidierte Fassungen

Die konsolidierten Fassungen der beiden Kernverträge der EU – Vertrag über die Europäische Union und Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (umbenannt in Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) – in den durch den Vertrag von Lissabon geänderten Fassungen sind jetzt online verfügbar.

Der Deutsche Bundestag wird den Gesetzesentwurf zum Vertrag von Lissabon am 24. April 2008 beschließen. Der Stand der Ratifikation in den Mitgliedstaaten ist auf einer Internetseite der Europäischen Kommission dargestellt.

 

Impressum

Bundesrechtsanwaltskammer, Büro Brüssel, Avenue des Nerviens 85, bte 9, B-1040 Brüssel, Tel: 0032-2-743 86 46, Fax: 0032-2-743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.eu

 

Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher, RAin Mila Otto, LL.M. und Natalie Barth

© Bundesrechtsanwaltskammer

 

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