Büro Brüssel

Ausgabe 15/2008                                                                                                                04.09.2008

Themen in dieser Ausgabe:

Freizügigkeit

-         Zulassung einer deutschen Rechtsanwalts-GmbH in Frankreich

 

Zivilrecht

-         Verstärkte Zusammenarbeit bei Rom III

 

Wirtschaftsrecht

-          EU-Strategie für gewerbliche Schutzrechte

 

 

Strafrecht

-            Berücksichtigung von Verurteilungen aus anderen Mitgliedstaaten

-            Entschließung des EP zur Stärkung von Eurojust

-            Entschließung des EP zu Abwesenheitsurteilen


 

Freizügigkeit

 

Zulassung einer deutschen Rechtsanwalts-GmbH in Frankreich

Der Cour de Cassation in Paris, der französische Oberste Gerichtshof, hat in einem Rechtsstreit um die Zulassung einer französischen Niederlassung einer deutschen Rechtsanwaltsgesellschaft zu deren Gunsten entschieden.

Hintergrund des Rechtsstreits war die Weigerung der Straßburger Rechtsanwaltskammer, die Tochtergesellschaft in Frankreich als GmbH zur Kammer zuzulassen. Der Cour de Cassation entschied, dass die Rechtsanwaltskammer damit gegen Europäisches Recht verstoßen habe und führte in seiner Entscheidung aus, dass eine wirksam nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründete Gesellschaft mit Sitz innerhalb der EU im Hinblick auf die in Art. 43, 48 EG garantierte Niederlassungsfreiheit wie eine natürliche Person behandelt werden müsse. Inhalt der Niederlassungsfreiheit sei auch die Wahl der Rechtsform. Zudem könne eine ausländische Rechtsanwaltsgesellschaft auf der eigens für Rechtsanwaltsgesellschaften vorgesehenen Liste einer französischen Rechtsanwaltskammer eingetragen werden, sofern die ausländische Gesellschaft die gesetzlich vorgeschriebenen Bedingungen hinsichtlich der Geschäftsführung, Kontrolle und Zusammensetzung des Stammkapitals erfülle.

Der Cour de Cassation hat damit zugleich die Frage beantwortet, ob eine deutsche Rechtsanwaltsgesellschaft als GmbH in Frankreich zugelassen werden kann. Die Straßburger Rechtsanwaltskammer hatte sich auf den Standpunkt gestellt, dass dies nicht möglich sei. Mit dieser Argumentation war sie bereits in der ersten Instanz vor dem Cour d’Appel in Colmar gescheitert, hatte aber dennoch Revision beim Cour de Cassation eingelegt.

 

Zivilrecht

 

Verstärkte Zusammenarbeit bei Rom III

Auf der letzten Tagung der Justiz- und Innenminister im Juli 2008 scheiterte die Einigung über den Vorschlag für eine Verordnung über die Zuständigkeit und das anwendbare Recht in Ehesachen (Rom III). Für die Verabschiedung der Verordnung, die Ehegatten die einvernehmliche Wahl des Gerichtsstands sowie das auf eine Scheidung anzuwendende Recht ermöglichen und für den Fall des Fehlens einer Rechtswahl harmonisierte Kollisionsnormen beinhalten sollte, konnte die notwendige Einstimmigkeit im Rat insbesondere aufgrund Schwedens Bedenken, das ein sehr liberales Scheidungsrecht hat, nicht erreicht werden. Nun wollen Frankreich, Ungarn, Luxemburg, Spanien, Österreich, Italien, Griechenland, Slowenien und Rumänien eine verstärkte Zusammenarbeit beantragen. Deutschland hat sich vorerst nur eine spätere Teilnahme vorbehalten.

Frühere Berichte: 8/2007, 17/2007, 1/2008, 12/2008

 

Wirtschaftsrecht

 

EU-Strategie für gewerbliche Schutzrechte

Noch vor der Sommerpause hat die Kommission eine Mitteilung über die europäische Strategie im Bereich der gewerblichen Schutzrechte vorgelegt. Die Strategie sieht neben der Schaffung eines Gemeinschaftspatents und einer integrierten EU-Patentgerichtsbarkeit auch die effektive Rechtsdurchsetzung zur Bekämpfung von Marken- und Produktpiraterie vor. Diese soll durch eine verbesserte Koordination der nationalen Verantwortlichen sowie eine wirksame Zusammenarbeit beim Informationsaustausch über Nachahmungen und Fälschungen und Vereinbarungen zum entschiedenen Vorgehen gegen Verletzungen erreicht werden.

Die breite Zugänglichkeit qualitativ hochwertiger gewerblicher Schutzrechte in der EU soll gewährleistet werden. Daher plant die Kommission Studien zur Qualität des Patentsystems und zum Funktionieren der Markensysteme. Um die Verwertung gewerblicher Schutzrechte weiter zu vereinfachen, plant die Kommission darüber hinaus Maßnahmen, die den Zugang zu ihnen sowie Streitbeilegungsverfahren erleichtern sowie die ihre zentrale Bedeutung unterstreichen.

 

Strafrecht

 

Berücksichtigung von Verurteilungen aus anderen Mitgliedstaaten

Der Rahmenbeschluss 2008/675/JI zur Berücksichtigung der in anderen Mitgliedstaaten der EU ergangenen Verurteilungen in einem neuen Strafverfahren trat mit seiner Veröffentlichung im Amtsblatt am 15. August 2008 in Kraft.

Bis in zwei Jahren müssen die Mitgliedstaaten danach sicherstellen, dass in Strafverfahren auch frühere Verurteilungen, die gegen die betroffene Person wegen einer anderen Tat in einem anderen Mitgliedstaat ergangen sind, wie im Inland ergangene frühere Verurteilungen berücksichtigt werden. Ihnen sollen vor und während des Strafverfahrens sowie der Strafvollstreckung die gleichen verfahrens- und materiellrechtlichen Wirkungen wie inländischen Entscheidungen zukommen. Ausnahmsweise, wenn das neue Verfahren dieses bei einer früheren inländischen Verurteilung zur Folge gehabt hätte, kann die frühere Entscheidung auch abgeändert, aufgehoben oder überprüft werden. Keine Verpflichtung zur Berücksichtung besteht, wenn die zugrunde liegende Tat nach innerstaatlichem Recht keine Straftat darstellt oder das innerstaatliche Rechtssystem die verhängte Sanktion nicht kennt.

Die Einholung von Auskünften über in anderen Mitgliedstaaten erfolgte Verurteilungen ist in dem Rahmenbeschluss nicht geregelt. Hier gelten die Rechtsinstrumente über die Rechtshilfe sowie den Austausch von Informationen aus Strafregistern. Künftig soll ein Rahmenbeschluss den Austausch von Informationen aus dem Strafregister zwischen den Mitgliedstaaten die Übermittlung von Strafregistereinträgen regeln.

Frühere Berichte: 20/2004, 21/2004, 23/2004, 3/2005, 23/2005, 1/2006, 18/2006, 12/2007, 12/2008

 

Entschließung des EP zur Stärkung von Eurojust

Auf seiner Plenartagung hat sich das EP am 2. September 2008 zum Entwurf des Beschlusses zur Stärkung von Eurojust positioniert. Ziel des Beschlusses ist die Verbesserung der operativen Effizienz von Eurojust.

Die Änderungen des EP beziehen sich v. a. auf eine Verbesserung des Datenschutzes. Zukünftig soll sichergestellt werden, dass für alle von Eurojust verwendeten Arten von personenbezogenen Daten ein angemessener Schutz gewährleistet ist. In diesem Zusammenhang fordert das EP den Rat dazu auf, möglichst bald einen Rahmenbeschluss über den Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit verarbeitet werden, anzunehmen. Des Weiteren soll eine Person, gegen die aufgrund eines Ersuchens von Eurojust ermittelt, aber keine Strafverfolgung eingeleitet wurde, innerhalb eines Jahres hiervon unterrichtet werden. Außerdem fordert das EP die Schaffung eines Rechtsbehelfs in Fällen, in denen die Ermittlungen auf offenkundig unzureichender Grundlage durchgeführt worden sind. Die Mitgliedstaaten werden zudem dazu aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass die Entscheidung einer nationalen Behörde gerichtlich überprüft werden kann, ehe sie Eurojust mitgeteilt wird. Die in der Initiative der Mitgliedstaaten vorgesehene Koordinierungszelle soll über eine einheitliche Kontaktstelle zu erreichen sein, da Eurojust in seiner Koordinierungsfunktion eine tägliche, jederzeitige Verfügbarkeit erfordere. Die Abgeordneten haben schließlich klargestellt, dass ein Mitgliedstaat nicht auf Ermittlungs- und Strafregister anderer Mitgliedstaaten zugreifen kann.

Die Justiz- und Innenminister waren zuvor auf ihrer Sitzung im Juli zu einer allgemeinen Ausrichtung über den Entwurf des Beschlusses gelangt.

Frühere Berichte: 02/2008.

 

Entschließung des EP zu Abwesenheitsurteilen

Das EP hat am 2. September 2008 seine Entschließung zum Rahmenbeschluss zur Vollstreckung von Abwesenheitsurteilen verabschiedet. Mit dem Rahmenbeschluss sollen die Vorschriften über die Anerkennung von Abwesenheitsurteilen in bestehenden Rahmenbeschlüssen vereinheitlicht werden. Danach wird ein Urteil, bei dem der Betroffene nicht anwesend war, unter vier alternativen Voraussetzungen anzuerkennen sein. Dieses beinhaltet auch die Verpflichtung, ein Abwesenheitsurteil anzuerkennen und zu vollstrecken, wenn der Betroffene weder persönlich geladen noch auf andere Weise von dem Termin, der zu dem Abwesenheitsurteil geführt hat, unterrichtet wurde. Einzige Voraussetzung dafür ist, dass dem Betroffenen die Entscheidung nach seiner Übergabe zugestellt wird und dass er ausdrücklich über die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Berufungsverfahrens aufmerksam gemacht wird. Dass es sich bei diesem neuen Verfahren tatsächlich um eine vollständige Neuverhandlung handeln muss, hat das EP in dem neuen Erwägungsgrund 7a klargestellt.

Bereits am 6. Juni 2008 erzielte der Rat eine entsprechende allgemeine Ausrichtung zum Rahmenbeschluss zur Vollstreckung von Abwesenheitsurteilen.

Die BRAK hat den Rahmenbeschlussentwurf von Anbeginn nachdrücklich kritisiert. Die Anerkennung von Abwesenheitsurteilen ist nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn die betroffene Person geladen oder rechtzeitig durch einen befugten Vertreter über die Verhandlung unterrichtet worden ist. Allenfalls im Ausnahmefall, wenn der ersuchende Staat nachweist, dass die betroffene Person sich in Kenntnis des Strafverfahrens diesem entzogen hat, könnte ein Verfahren ohne ihre Kenntnis in Betracht kommen.

Bei dem Gesetzgebungsverfahren handelt es sich um ein Konsultationsverfahren. Die einzuholende Stellungnahme des EP steht noch aus. Es wird voraussichtlich am 2. September 2008 im Plenum über den Berichtsentwurf zu dem Rahmenbeschlussvorschlag abstimmen.

Frühere Berichte: 5/2008, 12/2008

 

Impressum

Bundesrechtsanwaltskammer, Büro Brüssel, Avenue des Nerviens 85, bte 9, B-1040 Brüssel, Tel: 0032-2-743 86 46, Fax: 0032-2-743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.eu

 

Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher, RAin Mila Otto, LL.M. und Natalie Barth

© Bundesrechtsanwaltskammer

 

Der Newsletter ist im Internet unter www.BRAK.de abrufbar und kann auch dort be- oder abbestellt werden.

Wenn Sie diesen Newsletter zukünftig nicht mehr erhalten möchten, schreiben Sie bitte eine E-Mail an brak.bxl@brak.eu.