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Ausgabe 16/2009

4.11.2009

 

 

Themen in dieser Ausgabe:

 

Zivilrecht

Urteil des EuGH über die Entlassungsentschädigung bei Elternurlaub

 

Wirtschaftsrecht

Legislativvorschläge zur Stärkung der Finanzaufsicht in Europa

 

Strafrecht

Fahrplan für europaweite Mindeststandards für Beschuldigtenrechte in Strafverfahren

 

Freizügigkeit

Vertragsverletzungsverfahren gegen Bulgarien

 

Institutionen

Günther Oettinger als neuer deutscher Kommissar nominiert

Bewertung des europäischen Lobby-Registers

 

Lissabon-Vertrag

Tschechisches Verfassungsgericht macht den Weg frei für den Lissabon-Vertrag

 

 

 

Zivilrecht

 

Urteil des EuGH über die Entlassungsentschädigung bei Elternurlaub

Am 22. Oktober 2009 hat der EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsverfahren in der Sache C-116/08 ein Urteil gesprochen. Dem Urteil lag ein Rechtsstreit einer belgischen Arbeitnehmerin gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber zu Grunde. Die Klägerin war auf Grundlage eines unbefristeten Arbeitsvertrages bei dem Beklagten vollzeitbeschäftigt. Seit November 2002 arbeitete sie aufgrund von Elternurlaub, der bis Mai 2003 dauern sollte, auf Teilzeitbasis. Kurz vor Ablauf des Elternurlaubes wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit sofortiger Wirkung gekündigt. Die Klägerin erhielt eine Entlassungsentschädigung von zehn Monatsgehältern, die jedoch anhand ihres Teilzeit-Gehaltes berechnet wurde. Dagegen hatte sich die Klägerin erfolglos vor dem Arbeitsgericht Turnhout, Belgien, gewehrt. Der belgische Kassationshof legte die Frage dem EuGH vor. Dieser urteilte, dass die Entlassungsentschädigung sich nach dem Vollzeitgehalt berechnen müsse, da sonst Arbeitnehmer davon abgehalten werden könnten, Elternurlaub in Anspruch zu nehmen und es für Arbeitgeber gegebenenfalls attraktiv sei, Beschäftigte auf elternurlaubsbedingter Teilzeitbasis zu kündigen. Grundlage der Entscheidung war dabei die Richtlinie 96/34/EG, die eine zwischen den europäischen Sozialpartnern Union der Industrie- und Arbeitgeberverbände Europas (UNICE), Europäischer Zentralverband der öffentlichen Wirtschaft (CEEP) und Europäischer Gewerkschaftsbund (EGB) geschlossene Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub durchführt. Ziel dieser Rahmenvereinbarung ist es, Berufs- und Familienleben miteinander zu vereinbaren und Chancengleichheit von Männern und Frauen zu fördern.

 

 

Wirtschaftsrecht

 

Legislativvorschläge zur Stärkung der Finanzaufsicht in Europa

Die Europäische Kommission hat am 23. September 2009 ein Legislativpaket vorgelegt, in dem die Einrichtung von drei neuen Europäischen Finanzaufsichtsbehörden - die aus den derzeitigen Ausschüssen für die Finanzaufsicht hervorgehen - vorgesehen ist: eine Europäische Bankaufsichtsbehörde (EBA), eine Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) und eine Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA). Zusammen mit den nationalen Finanzaufsichtsbehörden sollen diese neuen Behörden ein Europäisches System für die Finanzaufsicht (ESFS) für die Beaufsichtigung einzelner Finanzinstitute („Mikroaufsicht“) bilden. Dieses Aufsichtssystem soll ergänzt werden durch die Schaffung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB), dessen Aufgabe darin besteht, Risiken für das Finanzsystem als Ganzes zu erkennen und insbesondere Frühwarnungen abzugeben, auf die dann möglichst schnell reagiert werden soll.

Am 26. Oktober 2009 hat die Kommission weitere Legislativvorschläge angenommen, um die bestehenden Finanzdienstleistungsrichtlinien an das ESFS anzupassen und ein reibungsloses Funktionieren der neuen Behörden zu gewährleisten. Die Änderungen regeln insbesondere die Befugnisse der neuen Behörden und bestimmen Anwendungsbereiche, in denen die neuen Behörden technische Standards erarbeiten können, die Möglichkeit Meinungsverschiedenheiten der nationalen Aufsichtsbehörden zu schlichten, sowie angemessene Kanäle für den Informationsaustausch. Die Einrichtung der Aufsichtsbehörden ist für Ende 2010 geplant.

 

 

Strafrecht

 

Fahrplan für europaweite Mindeststandards für Beschuldigtenrechte in Strafverfahren

Am 23. Oktober 2009 hat sich der Rat für Justiz und Inneres auf einen Fahrplan geeinigt, um die Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren zu stärken. Der Fahrplan legt fünf Bereiche dar, die durch Rechtsakte geregelt werden sollen: Dolmetscher- und Übersetzungsleistungen; die Belehrung über die Rechte und Unterrichtung über die Beschuldigung; Rechtsbeistand und Prozesskostenhilfe; die Benachrichtigung von Verwandten, dem Arbeitgeber und Konsularbehörden; besondere Schutzmaßnahmen für Beschuldigte, die z. B. aufgrund von Erkrankung einer besonderen Fürsorge bedürfen; das Grünbuch zur Untersuchungshaft. Als ersten Schritt zur Umsetzung dieses Fahrplanes konnte sich der Rat bereits auf eine generelle Ausrichtung zum Rahmenbeschluss über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren einigen (KOM(2009)338 vom 8. Juli 2009), der das Recht auf Verdolmetschung und Übersetzung für Beschuldigte gewährleistet. Flankiert wird dieser Rahmenbeschluss von einer Entschließung des Rates, in der Qualitätsstandards für Dolmetscher- und Übersetzungsleistungen festlegt werden. Die BRAK hatte das Scheitern der bisherigen Verhandlungen auf dem Gebiet der Beschuldigtenrechte kritisiert und begrüßt den neuen Vorstoß.

Das deutsche Bundesjustizministerium hat zu der Maßnahme „Belehrung über die Rechte und Unterrichtung über die Beschuldigung“ ein Forschungsprojekt in Auftrag gegeben, das die Einführung einer einheitlichen schriftlichen Beschuldigtenbelehrung („Letter of Rights“) überprüfen soll. Ergebnisse dieser Studie werden im kommenden Jahr erwartet.

 

Frühere Berichte: 14/2009; 12/2009; 9/2009, 8/2009, 11/2006, 7/2006, 5/2006, 1/2006

 

 

Freizügigkeit

 

Die EU-Kommission hat rechtliche Schritte gegen Bulgarien wegen der Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit eingeleitet. Die Kommission ist der Ansicht, dass bulgarisches Recht gegen die Niederlassungsfreiheit gemäß Artikel 43 EG-Vertrag und die Richtlinie 98/5/EG zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde, verstößt. Die betreffenden bulgarischen Rechtsvorschriften regeln, dass die bulgarische Staatsangehörigkeit Voraussetzung für die Zulassung zum Anwaltsberuf ist, weiterhin genießen Rechtsanwälte aus anderen EU-Mitgliedstaaten nicht die gleichen Rechte wie bulgarische Rechtsanwälte und Anwaltskanzleien anderer Mitgliedstaaten können in Bulgarien keine Zweigniederlassung gründen und auch ihren Firmennamen dort nicht nutzen. Bulgarien muss nun innerhalb von zwei Monaten auf die Stellungnahme der Kommission antworten. Kommt Bulgarien dieser Aufforderung nicht nach, so kann die Kommission Vertragsverletzungsklage vor dem Europäischen Gerichtshof einreichen.

 

Früherer Bericht: 4/2009

 

Institutionen

 

Günther Oettinger als neues deutsches Kommissionsmitglied nominiert

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den derzeitigen Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg, Günther Oettinger, als neues deutsches Kommissionsmitglied vorgeschlagen. Oettinger verfügt zwar bisher über wenig Erfahrung auf europäischer Ebene, gilt aber als Wirtschafts- und Steuerexperte. Eine Nachfolge in das Ressort des bisherigen deutschen Kommissionsmitgliedes Verheugen, Kommissar für Unternehmen und Industrie, wäre daher eine naheliegende Möglichkeit. Das Wahlverfahren für die neue Kommission sieht vor, dass der Europäische Rat im Einvernehmen mit dem bereits gewählten Kommissionspräsidenten Barroso die Liste der von den Mitgliedstaaten vorgeschlagenen Kandidaten mit qualifizierter Mehrheit annimmt. In Folge dessen finden Anhörungen durch die Fachausschüsse des Europäischen Parlaments statt. Nach der Auswertung dieser Anhörungen stimmt das Parlament über die Kommission als Kollegium ab. Der Rat ernennt die Mitglieder der Europäischen Kommission anschließend mit qualifizierter Mehrheit. Am 31. Oktober 2009 endete die fünfjährige Amtszeit der derzeitigen Kommission.

 

Bewertung des europäischen Registers für Interessenvertreter

In ihrer wöchentlichen Sitzung hat die Kommission am 28. Oktober 2009 das Register für Interessenvertreter, das vor einem guten Jahr eröffnet wurde, einer Bewertung unterzogen. Die vorgelegte Mitteilung sah in den bisher über 2000 erfolgten Eintragungen die Bestätigung dafür, dass das Prinzip der freiwilligen Eintragung der richtige Ansatzpunkt sei. Verbunden mit der Eintragung ist die Annahme eines Verhaltenskodexes, die Offenlegung der Finanzierung in einem gewissen Umfang sowie die Benennung von Organisationen anstelle von Einzelpersonen. Auf Grundlage der Überprüfung soll nun ein gemeinsames Register mit dem Europäischen Parlament entwickelt werden. Die nächste Sitzung der entsprechenden Arbeitsgruppe soll am 12. November 2009 stattfinden. Verändert werden an dem Register die Anforderungen an die finanziellen Angaben: die derzeitige Wahlmöglichkeit zwischen Betragsspannen und Prozentangaben soll ersetzt werden durch proportional zum Umsatzvolumen wachsende Betragsspannen in Euro. Zudem soll nicht mehr lediglich der finanzielle Aufwand für Lobbytätigkeit angegeben werden, sondern auch die eingesetzten personellen Ressourcen. Kritisch bewertet wurde in der Mitteilung, dass Anwaltskanzleien und Denkfabriken in dem Register noch immer unterrepräsentiert seien. Die Trennung von Lobby-Arbeit und Rechtsberatung soll noch deutlicher gefasst werden, um eine Eintragung ohne Verstöße gegen Standesregeln wie die Verschwiegenheitspflicht zu ermöglichen. Die Kommission beabsichtigt dazu, Gespräche mit Anwaltskammern und –verbänden zu führen, um zu einer Lösung dieses Zielkonfliktes zwischen Transparenz und anwaltlichem Berufsrechts zu kommen.

Aus Sicht der Anwaltschaft sind die Eintragung und Offenlegung insoweit problematisch, als dass sie mit dem im anwaltlichen Berufsrecht verankerten Recht des Mandanten auf Verschwiegenheit des von ihm um Rechtsrat gebetenen Anwalts kollidieren können.

 

Frühere Berichte: 13/2008, 11/2008, 9/2008, 7/2008, 22/2007, 19/2007, 06/2007, 09/2006

 

Lissabon-Vertrag

 

Tschechisches Verfassungsgericht macht den Weg frei für den Lissabon-Vertrag

Das tschechische Verfassungsgericht hat am 3. November 2009 den Lissabon-Vertrag für verfassungskonform erklärt. Noch am selben Tage unterzeichnete der tschechische Präsident, Vaclav Klaus, den Vertrag, der damit wie geplant zum Ende des Jahres in Kraft treten kann. Tschechien hatte als einziger der 27 Mitgliedstaaten den Vertrag noch nicht gebilligt und auf das anhängige Verfahren beim Verfassungsgericht verwiesen. Beim letzten EU-Gipfel am 29./30. November 2009 konnte Klaus zudem erreichen, dass die Charta der Grundrechte der Europäischen Union – wie im Falle von Polen und dem Vereinigten Königreich – in Tschechien nicht anwendbar ist. Hintergrund war die Sorge Klaus‘, dass durch die Grundrechtecharta die Beneš-Dekrete ausgehebelt werden könnten und es somit zu Regressforderungen der nach dem zweiten Weltkrieg in der damaligen Tschechoslowakei enteigneten Sudetendeutschen und Ungarn kommen könne.

 

Frühere Berichte: 15/2009, 14/2009, 13/2009, 12/2009, 9/2009, 3/2009, 8/2008, 4/2008, 03/2008, 22/2007, 20/2007

 

 

Impressum

Bundesrechtsanwaltskammer, Büro Brüssel, Avenue des Nerviens 85, bte 9, B-1040 Brüssel, Tel: 0032-2-743 86 46, Fax: 0032-2-743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.eu

 

Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher, RAin Anabel von Preuschen, RAin Tanja Ortel und Natalie Barth © Bundesrechtsanwaltskammer

 

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