Ausgabe 29/2019 v. 5.9.2019
 
Liebe Leserinnen und Leser,

in dieser Ausgabe berichten wir über die Entscheidung im Vergabeverfahren und stellen Ihnen die neueste Rechtsprechung zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und zum Beweiswert eines Screenshots vor. Außerdem erhalten Sie weitere Hinweise zur Auswahl einer Justizbehörde nach Umstellung auf XJustiz 2.4.

Ihr Team des beA-Newsletters
 
Entscheidung im Vergabeverfahren –  Neuer Dienstleister für das beA
 
Wie bereits am Montag per Presseerklärung bekannt gegeben, hat die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) im Vergabeverfahren über die Übernahme, die Weiterentwicklung, den Betrieb und den Support der besonderen elektronischen Anwaltspostfächer (beA) der Bietergemeinschaft Westernacher/rockenstein den Zuschlag erteilt. Mit der Westernacher Solutions GmbH und der rockenstein AG werden zwei Unternehmen die Dienstleistungen rund um das beA übernehmen, die seit vielen Jahren im Bereich der Entwicklung, dem Betrieb und dem Support von Fachanwendungen der Justiz und der öffentlichen Verwaltung ihren Schwerpunkt haben.
 
 
XJustiz Version 2.4: Justizbehörde
 
Wir berichteten bereits im beA-Newsletter 28/2019 v. 22.8.2019 von der Umstellung auf die XJustiz-Version 2.4. Wie Sie wissen, muss jetzt im Falle der Beifügung eines Strukturdatensatzes oder der Anforderung eines elektronischen Empfangsbekenntnisses auch eine Justizbehörde in der beA-Webanwendung angegeben werden.

Im Eingabefeld „Justizbehörde“ können Sie über eine Drop-down-Liste die Institution angeben, bei der das Verfahren in der betreffenden Instanz anhängig gewesen ist oder sein wird, falls es noch nicht anhängig gewesen war. Dies kann ein Gericht, eine Staatsanwaltschaft oder eine andere Institution sein.

Dieses Feld ist nur dann sichtbar, wenn die Checkbox „Strukturdatensatz generieren und anhängen“ aktiviert ist. Abhängig vom Feld „Empfänger“ wird als Default-Wert entweder „Unbekannt“ angezeigt oder dieses Feld ist vorbelegt. Unabhängig von der Vorbelegung können Sie das Feld editieren. Die Eingabe ist dabei auf die in der vorgegebenen Liste benannten Justizbehörden und den dazugehörigen Code-Werten beschränkt. Diese Drop-down-Liste kann in Zukunft in Abhängigkeit von der XJustiz-Version sukzessive erweitert werden.

Die Drop-down-Liste der auswählbaren Justizbehörden können Sie durch Angabe eines Suchmusters im Eingabefeld Justizbehörde einschränken. Zwischen Groß- und Kleinschreibung im Eingabefeld "Justizbehörde" wird dabei nicht unterschieden. Zur Einschränkung ihrer Suchergebnisse können Sie mit dem Platzhalter „ * “ arbeiten. Dieser kann an beliebiger Stelle explizit gesetzt werden. Zudem ist der Platzhalter implizit – also automatisch und ohne angezeigt zu werden –  am Ende einer Zeichenfolge gesetzt. An dieser Stelle muss daher kein „ * “ eingefügt werden.

Beispiel:

Wenn Sie das Suchmuster „*Koblenz“ angeben, dann wird die Liste der auswählbaren Justizbehörden auf diejenigen eingeschränkt, die im Namen an beliebiger Stelle „Koblenz“ enthalten.
 
BAG: Doppelt geprüft hält besser

Im beA-Newsletter 27/2019 haben wir über die Entscheidung des LAG Hamm vom 2.4.2019 (Az. 16 Sa 28/19) berichtet. Nunmehr musste sich das BAG mit der Sache befassen (Beschl. v. 7.8.2019 - 5 AZB 16/19) und hat die Revisionsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Die Vorinstanz habe, so das BAG, die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen.

Sie erinnern sich: Eine Berufungsschrift wurde als elektronisches Dokument über beA an das Berufungsgericht übersandt, kam dort aber niemals an. Das Übermittlungsprotokoll enthielt keine Angaben in den Datenfeldern „Empfangen“ und „Zugegangen“. Insbesondere fehlte eine Eingangsbestätigung nach § 46c V 2 ArbGG. Im Rahmen des Wiedereinsetzungsantrags wurde vorgetragen, die in die Benutzung des beA-Systems eingewiesene Mitarbeiterin habe fahrlässig und entgegen organisatorischen Anweisungen die Empfangsprüfung unterlassen.

Das LAG sah die vorgetragenen organisatorischen Anweisungen als nicht ausreichend an. Denn es habe eine Regelung zur Fristenstreichung und zur abendlichen Kontrolle gefehlt. Dem schloss sich das BAG an. Es seien die Grundsätze der Ausgangskontrolle anzuwenden, die auch bei einer Übermittlung per Telefax gelten würden:

Nach gefestigter Rechtsprechung genüge ein Rechtsanwalt bei einer Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax seiner Pflicht zur Ausgangskontrolle nur dann, wenn er seine Angestellten anweise, anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt sei. Erst danach dürfe die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (BGH, Beschl. v. 24.1.2019 - 1 ZB 47/18 - Rn. 10 m.w.N.). Bei der Übermittlung mittels beA sei die Eingangsbestätigung zu prüfen. Ihr Ausbleiben müsse den Anwalt zur weiteren Überprüfung und ggf. erneuten Übermittlung veranlassen. In diesem Zusammenhang fordert das BAG sogar stichprobenweise Überprüfungen des Anwalts.

Obacht: Auch hinsichtlich der allabendlichen Fristenkontrolle vertritt das BAG eine sehr strenge Sicht. Danach müsse die ordnungsgemäße Versendung und der ordnungsgemäße Eingang jedes einzelnen Schriftsatzes bei Gericht nochmals selbstständig geprüft werden. Im Zweifel bedeutet das, dass zu jeder einzelnen eingetragenen Frist die Übertragungsprotokolle aufgerufen und geprüft werden müssen.
 
 
VGH Mannheim: „Protokollauszug“ genügt

In der Rechtsprechung zu den Sorgfaltspflichten im elektronischen Rechtsverkehr kommt dem im Rahmen des EGVP erzeugten Übertragungsprotokoll eine immer bedeutendere Rolle zu. Da in zahlreichen Entscheidungen die Sorgfaltspflicht zur Kontrolle des Übertragungsprotokolls durch die prozessbevollmächtigte Kanzlei leider nicht ausreichend beachtet worden ist, wollen wir nicht versäumen, auf eine erfreuliche Entscheidung des VGH Mannheim (Beschl. v. 18.7.2018 - 12 S 643/18) hinzuweisen. Hier trug die Vorlage des Übermittlungsprotokolls zur Rettung bei.

Der noch nicht einmal zweijährige Antragsteller wollte gegen den erstinstanzlichen Beschluss des Verwaltungsgerichts mit dem Ziel vorgehen, vorläufig einen Platz in einer Tageseinrichtung zugewiesen zu bekommen. Die eigentliche Beschwerde war durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt des Antragstellers beim VG im Wege der elektronischen Dokumentenübermittlung nach § 55a VwGO ordnungsgemäß eingelegt worden. Allerdings war die ein wenig später beim VGH eingereichte Datei mit der Beschwerdebegründung gemäß dem Protokoll des VGH nicht qualifiziert signiert, sondern nur die Datei mit den Anlagen.

Da der Prozessbevollmächtigte keinen sicheren Übermittlungsweg genutzt hat, hätte er nach § 55a III VwGO das elektronische Dokument, das die Begründung enthielt, mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen müssen. Dabei ließ der VGH ausdrücklich offen, ob es beim gemeinsamen Versand mehrerer Dokumente in einer Nachricht ausreicht, wenn zwar nicht die Datei mit dem bestimmenden Schriftsatz – hier mit der Beschwerdebegründung – wohl aber die Datei mit den Anlagen, als Teil der Begründung, qualifiziert signiert sei.

Der Prozessbevollmächtigte konnte nämlich zusätzlich ein Übermittlungsprotokoll des EGVP vom selben Tag vorlegen, das eine ordnungsgemäße qualifizierte elektronische Signatur wohl auch der Datei mit der Beschwerdebegründung auswies. Zudem reichte er auch noch einen „Bildschirmausdruck“ einer erfolgreichen Signaturprüfung nach. Das ließ der VGH ausreichen und gewährte Wiedereinsetzung.
 
 
OLG Jena: Beweiswert eines ausgedruckten Screenshots

Nicht nur die Kommunikation wird zunehmend digital, sondern auch die Beweisführung. Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten bereits einige Vorschriften geschaffen, so zum Beispiel die Regelung zur Beweiskraft gescannter öffentlicher Urkunden (§ 371b ZPO). Im Rahmen der zunehmenden digitalen Vernetzung finden zudem Rechtsverstöße vermehrt in elektronischer Form statt. Nach § 2 ERVV gelten die technischen Rahmenbedingungen für die Vorlage „elektronischer Beweise“ gerade nicht (vgl. beA-Newsletter 48/2017), d.h., diese können über beA an die Gerichte übermittelt werden.

Das OLG Jena (Urt. v. 28.11.2018 - 2 U 524/17) hatte sich nun mit einem Fall zu befassen, in dem es um einen Wettbewerbsverstoß, u.a. wegen unzureichender Widerrufsbelehrung auf einer Versteigerungsplattform, ging. Die Wettbewerbsverstöße sollten anhand von Screenshots nachgewiesen werden, die wiederum auf Papier ausgedruckt wurden.

Das OLG stellte fest, dass der Ausdruck eines Screenshots auf Papier, anders als ein als Bildschirmdatei übergebener Screenshot, kein elektronisches Dokument i.S.d. § 371 I 2 ZPO sei (sowohl auch OLG Koblenz, Urt. v. 2.10.2014 - 6 U 1127/13, juris, Rn. 21). Wäre ein elektronisches Dokument Gegenstand des Beweises, würde der Beweis durch Vorlegung oder Übermittlung der Datei angetreten.

Zudem sei der Screenshot in Papierform in beweisrechtlicher Hinsicht keine Urkunde (OLG Hamburg, MDR 1988, 684), sondern ein Augenscheinobjekt i.S.v. § 371 I 1 ZPO, allerdings in Form eines Augenscheinsurrogates (vgl. dazu Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, Zivilprozessordnung, 4. Aufl., § 371 Rn. 16, zu Lichtbildern: a.a.O. Rn. 52 ff.). Seine Beweiskraft bemesse sich allein nach § 286 ZPO, soweit, wie im vorliegenden Fall, kein erhöhter Beweiswert aufgrund von qualifizierten Signaturen (vgl. §§ 371a, 371b ZPO) bzw. elektronischen Zeitstempeln (Art. 41 II eIDAS-VO) vorliege.

Im Ergebnis empfiehl es sich daher, digitale Rechtsverstöße zukünftig digital zu sichern und als elektronisches Dokument – am besten mit elektronischem Zeitstempel – ohne den Umweg eines Ausdrucks direkt mit Hilfe von beA an das zuständige Gericht zu übermitteln.
Alle Informationen zum beA unter www.bea.brak.de