Am 1. Juli 2015 hat das Amtsgericht Den Haag entschieden, dass die staatliche Überwachung von Anwaltskanzleien in den Niederlanden unrechtmäßig ist. Die Verschwiegenheitspflicht des Anwalts dürfe nur unter Einhaltung besonderer Voraussetzungen und starker Schutzmaßnahmen durchbrochen werden. Die im niederländischen Gesetz vorgesehenen Reglungen, nach denen eine Abhörung von Anwaltskanzleien allein durch Anordnung des Ministers durchgeführt und nur durch ein später eingeschaltetes Kontrollkomitee überprüft werden kann, seien nicht ausreichend. Das Gericht verlangt die Einschaltung einer unabhängigen Stelle, die vor einer Abhörung einer Anwaltskanzlei konsultiert werden muss. Es hat dem Staat sechs Monate Zeit gegeben, die Gesetzeslage anzupassen. In dem Verfahren vor dem niederländischen Gericht trat der CCBE der klagenden Kanzlei als Streithelfer bei. Er forderte in seiner Intervention das Gericht auf, ein allgemeines Urteil zur Unrechtmäßigkeit des Abhörens von Anwalt-Mandantenkommunikation zu erlassen.
Gegen dieses Urteil haben die Niederlande Berufung eingelegt. Sie argumentieren, dass zwischen der Stellung eines Anwalts bei Informationsbeschaffungsmaßnahmen von Geheimdiensten zur Wahrung der inneren Sicherheit und der Stellung eines Anwalts bei normalen Ermittlungsmaßnahmen im Strafverfahren zu unterscheiden ist. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verlange nicht, dass Informationsbeschaffungsmaßnahmen durch Geheimdienste einer vorigen justiziellen Kontrolle unterliegen müssen. Jede andere Form der Überprüfung und Kontrolle durch ein mit den notwendigen Kompetenzen ausgestattetes parlamentarisches Organ sei ausreichend. Durch die Forderung einer vorigen justiziellen Kontrolle bei Maßnahmen gegen Berufsgeheimnisträger verpflichtet der Richter des Amtsgerichts Den Haag den Staat, das Gesetz zu ändern und überschreite damit seine Kompetenzen.
Auch im Berufungsverfahren hat der CCBE eine Stellungnahme abgegeben und betont darin erneut, dass Verfahrensgarantien, wie etwa eine unabhängige Kontrolle, immer vorgesehen werden müssen, unabhängig davon, ob es sich um eine strafrechtliche oder nachrichtendienstliche Ermittlung handelt. Der CCBE fordert das Gericht auf, den Fall dem EuGH vorzulegen, unter anderem mit der Frage, ob von Artikel 4 der Richtlinie zum Recht auf einen Rechtsanwalt, in der eine absolute Vertraulichkeit von Anwalts-Mandantenkommunikation vorgesehen ist, abgewichen werden kann.
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