Nachrichten aus Brüssel | Ausgabe 15/2020

Aussetzung der Vollstreckung von Europäischen Haftbefehlen nach Polen – EuGH

17.09.2020Newsletter

Aufgrund von Bedenken in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit in Polen werden die Niederlande künftig keine Personen mittels Europäischen Haftbefehls (EuHB) dorthin ausliefern. Ein Gericht in Amsterdam (Internationale Rechtshulpkamer (IRK) van de rechtbank Amsterdam) stellte Anfang September fest, dass die polnischen Gerichte nicht länger hinreichend unabhängig seien, was dazu führe, dass Überstellungen aus grundrechtlichen Erwägungen derzeit nicht durchgeführt werden könnten. Ähnliche Zweifel waren bereits durch Gerichte in Deutschland, Irland und Spanien geäußert worden.

Die IRK hatte dem EuGH bereits im Juli 2020 in einem anderen Verfahren u.a. die Frage vorgelegt, ob die Vollstreckung von EuHBs nach Polen generell und damit unabhängig vom Einzelfall ausgesetzt werden müsse, da die Unabhängigkeit der polnischen Gerichte und damit das Recht auf ein faires Verfahren aufgrund systemischer Mängel infolge der polnischen Justizreform nicht mehr gewährleistet sei (C-354/20 PPU). Dieses Verfahren wird beim EuGH als Eilverfahren geführt, so dass innerhalb weniger Monate mit der Entscheidung zu rechnen ist. Der EuGH hatte 2018 in der Rechtssache C‑216/18 PPU noch entschieden, dass neben den systemischen Mängeln auch im konkreten Fall Anhaltspunkte vorliegen müssen, die die Annahme zulassen, dass die auszuliefernde Person im Fall ihrer Übergabe einer Gefahr der Verletzung des in Art. 47 Abs. 2 der EU-Grundrechtecharta verankerten Grundrechts auf ein faires Verfahren ausgesetzt sein wird.

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