BFH sieht drohende doppelte Besteuerung staatlicher Renten

Der BFH liefert erstmals Definitionen und Berechnungsgrundlagen, um verfassungswidrige doppelte Besteuerung von Renten zu vermeiden.

31.05.2021Rechtsprechung

Eine seit 2007 laufende gesetzliche Rente sei noch nicht doppelt besteuert worden. Doch spätere Rentnerjahrgänge dürften betroffen sein, stellen die Finanzrichter klar. Private Renten könnten schon logisch nicht doppelt besteuert werden.

Der Bundesfinanzhof hat die Revisionen zweier Kläger zurückgewiesen, die sich gegen eine vermeintliche doppelte Besteuerung von Teilen ihrer Rente wehrten. Deutschlands oberste Finanzrichter machen allerdings gleichzeitig deutlich, dass das Bundesfinanzministerium keineswegs aufatmen kann: Spätere Rentnerjahrgänge als der klagende Steuerberater, der 2007 in die Rente eintrat, dürften von einer doppelten Besteuerung ihrer gesetzlichen Renten betroffen sein (Beschl. v. 31.05.2021, Az. X R 33/19).

Dies folgt laut dem BFH daraus, dass der geltende Rentenfreibetrag für jeden neuen Rentnerjahrgang kleiner wird. Er dürfte künftig rechnerisch in vielen Fällen nicht mehr ausreichen, um die aus versteuertem Einkommen geleisteten Teile der Rentenversicherungsbeiträge zu kompensieren. Es käme zu einer doppelten Besteuerung.

Der BFH hält damit im Grundsatz an seiner bisherigen, vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestätigten Rechtsprechung zur Rentenbesteuerung fest: Sowohl der mit dem Alterseinkünftegesetz im Jahr 2005 eingeleitete Systemwechsel zur nachgelagerten Besteuerung von Altersbezügen als auch die gesetzlichen Übergangsregelungen sind im Grundsatz verfassungskonform.

Steuerfreier Rentenbezug muss mindestens so hoch sein wie bereits versteuerte Beiträge

Zu einer doppelten Besteuerung von Renten aber darf es trotzdem nicht kommen, so die Richter in München. Und eine solche drohe in der geltenden Rechtslage sehr wohl. Der BFH definiert mit dem Urteil erstmals Parameter, um eine solche verfassungswidrige doppelte Besteuerung zu vermeiden: Keine doppelte Besteuerung liegt demnach vor, wenn die Summe der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse (steuerfreier Rentenbezug) mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus dem bereits versteuerten Einkommen aufgebrachten Rentenversicherungsbeiträge.

Die Klage eines ehemaligen Zahnarztes gab den obersten Finanzrichtern zudem Gelegenheit zur Feststellung, dass private Renten systembedingt gar nicht doppelt besteuert werden könnten (Urt. v. 19.05.2021, X R 20/19). Diese werden nämlich per se nur mit dem Ertragsanteil besteuert.

Das Alterseinkünftegesetz und seine Übergangsregelung

Anders verhält es sich seit 2005 mit der Besteuerung von staatlichen Renten. Hintergrund der beiden Klagen eines Steuerberaters und eines Zahnarztes, die stellvertretend für mehr als Hunderttausend Kläger stehen, ist eine Änderung vom 1. Januar 2005. Seitdem sind alle Rentenbezüge im Grundsatz voll einkommensteuerpflichtig (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Einkommensteuergesetz). Im Gegenzug können die Steuerpflichtigen ihre Altersvorsorgeaufwendungen – insbesondere ihre Rentenversicherungsbeiträge – als Sonderausgaben von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage abziehen (sog. nachgelagerte Besteuerung).

Weil Renten zuvor nur zu einem geringen Anteil (sog. Ertragsanteil) der Einkommensteuer unterlegen hatten, wurde eine Übergangsregelung geschaffen, die bis zum Jahr 2040 den Freibetrag in der Rente immer weiter reduziert.

Bei Rentnern, die bis einschließlich 2005 in den Rentenbezug eingetreten sind, bleibt auf Dauer ein Betrag von 50 % ihrer damaligen Rente steuerfrei. Beginnt der Rentenbezug später, vermindert sich der steuerfreie Anteil. So sind bei Rentnern, die im Jahr 2021 erstmals eine Rente beziehen, nur noch 19 % der Rente steuerfrei. Rentner, die ab 2040 in den Rentenbezug eintreten werden, müssen ihre gesamte Rente versteuern. Für die Beitragsseite sehen die Übergangsregelungen vor, dass im Jahr 2005 zunächst nur 60 % der Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben abgezogen werden konnten, im Jahr 2021 sind es 92 %. Ab dem Jahr 2025 werden sämtliche Altersvorsorgeaufwendungen ungekürzt als Sonderausgaben abziehbar sein.

Keine doppelte Besteuerung bei 46 % Rentenfreibetrag

Deshalb scheiterte der nun klagende Steuerberater, der 2007 in Rente gegangen war, mit seiner Revision. Bei seinem hohen Rentenfreibetrag von 46 % seiner Rentenbezüge ergab sich keine doppelte Besteuerung, entschied der BFH. Eine Geldentwertung zwischen der früheren Beitragszahlung und dem späteren Rentenbezug sei bei der Berechnung nicht zu berücksichtigen, stellte der Senat klar.

Der BFH urteilt auch, dass zum steuerfreien Rentenbezug neben den jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers auch die Freibeträge eines – statistisch – etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente zu rechnen sind. Der sog. Grundfreibetrag hingegen bleibe bei der Berechnung des steuerfreien Rentenbezugs unberücksichtigt.

In einem zweiten, ebenfalls am Montag entschiedenen Verfahren eines ehemaligen Zahnarztes und seiner Frau klärte der BFH weitere Aspekte der sog. doppelten Rentenbesteuerung.  So seien Leistungen aus der freiwilligen Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente (§ 269 Abs. 1 SGB VI) als Teil der Rente einheitlich mit den regulären Rentenbezügen (also nicht nur dem Ertragsteil) zu versteuern, es kann also keine doppelte Besteuerung entstehen.