Strafprozess

BGH sieht Befangenheit: Vorsitzende hielt sich nicht an Absprache

Verspricht die Vorsitzende dem Verteidiger, während seines Urlaubs nichts Relevantes zu entscheiden, tut es dann aber doch, kann sie befangen sein.

14.10.2024Rechtsprechung

Der BGH hat eine strafrechtliche Verurteilung wegen der Besorgnis der Befangenheit der Vorsitzenden aufgehoben (§§ 24 Abs. 1 und 2, 28 Abs. 2 S. 2, 338 Nr. 3 StPO). Die Richterin hatte zuvor mit einem der Verteidiger eine Absprache getroffen, wonach während seiner Urlaubsabwesenheit keine Verfahrenshandlungen vorgenommen würden, die relevant für die Verteidigung seien. Daran hielt sie sich aber nicht, legte Fristen für Beweisanträge sowie das Schlussplädoyer der Staatsanwaltschaft in diesen Zeitraum (Beschl. v. 04.06.2024, Az. 2 StR 51/23).

Absprache zwischen Richterin und Verteidiger

Zwei angeklagte Brüder waren vom LG Bonn wegen Betruges und versuchten Betruges zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt worden. Sie hatten irreführend gestaltete Briefe an Gewerbetreibende versendet, die den Anschein erweckten, von einer Behörde zu stammen, um die Adressaten zur Rücksendung und Zahlung zu bewegen.

Streitgegenstand der Revision beim BGH waren aber hauptsächlich die Umstände, wie es zu diesem Urteil kam: Wegen einer Covid-Erkrankung des Staatsanwalts musste die Hauptverhandlung verschoben werden. Der Verteidiger eines Angeklagten kündigte daraufhin an, innerhalb eines bestimmten Zeitraums urlaubsabwesend zu sein. Er könne allerdings eine – nicht mit dem Stoff vertraute – Terminsvertreterin schicken. Daraufhin versprach die Vorsitzende, während seiner Abwesenheit keine Entscheidungen zu treffen, die eine aktive Mitwirkung der Verteidigung erforderlich machten. Es sollten nur sog. „Schiebetermine“ stattfinden, um die Fortsetzung der Hauptverhandlung innerhalb der Frist des § 229 StPO zu gewährleisten. Sogar auf einen Termin für die Abschlussplädoyers und das Urteil – nach dem Urlaub – einigte man sich.

Richterin hielt sich nicht an Vereinbarung: Besorgnis der Befangenheit 

Die Richterin hielt sich jedoch nicht an die Absprache. Sie lehnte Beweisanträge ab, erklärte die Beweisaufnahme für abgeschlossen und setzte eine Frist für die Stellung weiterer Beweisanträge – die innerhalb der Urlaubszeit des Verteidigers ablief. Später sagte sie, sie sei davon ausgegangen, der Verteidiger könne auch aus dem Urlaub heraus agieren. Sie ließ außerdem das Plädoyer der Staatsanwaltschaft ebenfalls während seiner Urlaubsabwesenheit zu.

Die Terminsvertreterin lehnte daraufhin – in Absprache mit dem Verteidiger, während seines Urlaubs – die Vorsitzende wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Der Bruch mit der Absprache sei eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechte der Verteidigung. Auch der andere Angeklagte stellte einen Befangenheitsantrag. Die Strafkammer wies jedoch beide Befangenheitsanträge zurück und verurteilte die beiden letztlich.

In der Revision hob der BGH diese Verurteilung jedoch auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung zurück. Die dargestellten Umstände seien geeignet, die Besorgnis der Befangenheit gegen die Vorsitzende zu begründen (§§ 24 Abs. 1 und 2, § 28 Abs. 2 S. 2, 338 Nr. 3 StPO). Sie habe sich schließlich „evident absprachewidrig“ verhalten. Weder die Fristsetzung für die Beweisanträge noch die Zulassung der Staatsanwaltschaft-Plädoyers seien mit ihrer Zusicherung in Einklang zu bringen. Damit seien wesentliche Verteidigungsbelange berührt. So sei es für die Verteidigung insbesondere wesentlich, sich bei der Vorbereitung ihrer eigenen Schlussausführungen auf die Haltung der Staatsanwaltschaft einzustellen, die oft erstmals im Plädoyer bekannt werde. Ebenfalls ins Gewicht fiel eine frühere Äußerung der Vorsitzenden, das Verfahren müsse aufgrund der Geschäftslage der Strafkammer zügig beendet werden. Der Verteidiger habe mit einer solchen Sachlage nicht rechnen müssen. Auch der Rüge des Bruders wurde stattgegeben. In einem Fall wie diesem, in dem beide Fälle eng miteinander verflochten seien und angesichts Gesamtumstände seien auch seine Belange berührt.