Einrichtungsbezogene Impfpflicht

BVerfG billigt Impfpflicht im Gesundheitswesen

Das BVerfG hat keine durchgreifenden Zweifel an der Einführung einer Impfpflicht für Personal im Gesundheitswesen. Die gesetzgeberische Regelungstechnik aber, die zuletzt dazu führte, dass das RKI den Genesenenstatus auf drei Monate verkürzte, kritisiert das BVerfG deutlich.

11.02.2022Rechtsprechung

Nur wenige Tage nach der Weigerung von Markus Söder, die einrichtungsbezogene Impfpflicht ab dem 15. März in Bayern umzusetzen, stellt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) klar, dass die Karlsruher Richter - zumindest im Eilverfahren - keine „durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken“ gegen die Einführung der Impfpflicht im Gesundheitswesen haben.

Die sog. einrichtungsbezogene Impfpflicht, die vom Bundestag im Dezember beschlossen wurde, ist geregelt in § 20a, bußgeldbewehrt in § 73 Abs. 1 a Nr. 7e des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Sie verpflichtet praktisch alle im Gesundheitswesen Tätigen dazu, ab dem 15. März 2022 geimpft oder genesen zu sein; dahinter steht der Zweck, die besonders vulnerablen Personen zu schützen, mit denen sie in Kontakt kommen. Bis zum 15. März muss das Gesundheitspersonal also der Leitung der Einrichtung, in der es arbeitet, einen Impf- oder Genesenennachweis vorlegen oder eine medizinische Kontraindikation nachweisen. Tun die Pflegenden das nicht, dürfen sie nicht mehr in den Einrichtungen tätig werden. Die Regelung des § 20a IfSG ist zunächst befristet bis Ende Dezember 2022.

Dagegen legten zahlreiche ungeimpfte Pflegerinnen und Pfleger, aber auch Leitungen von Gesundheitseinrichtungen, die weiterhin ungeimpftes Personal beschäftigen möchten, sowie Patientinnen und Patienten von medizinischen Dienstleistern Verfassungsbeschwerde ein und beantragten den Erlass einstweiliger Anordnungen.

Keine Zweifel an einrichtungsbezogener Impfpflicht

Erfolg hatten sie damit nicht. Zwar seien ihre Verfassungsbeschwerden nicht offensichtlich unbegründet, so der Erste Senat des BVerfG am Freitag. Doch mögliche verfassungsrechtliche Zweifel an der Regelung rechtfertigten es nicht, eine einstweilige Anordnung zu erlassen: Das Risiko, dass zahlreiche vulnerable Personen sich bis zur endgültigen Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde mit dem Corona-Virus infizieren und deshalb schwer oder gar tödlich erkrankten, bewertet das BVerfG als schlimmer als das Risiko des Personals, durch eine Impfung in seinem körperlichen Wohlbefinden eingeschränkt zu werden oder aber zunächst nicht arbeiten zu können (Beschl. v. 10.02.2022, Az. 1 BvR 2649/21).

Das BVerfG stellt auch darauf ab, dass die Betroffenen sich schließlich nicht impfen lassen müssten; sie könnten dann eben bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde ihren Beruf nicht ausüben.

Verfassungsrechtliche Zweifel an der einrichtungsbezogenen Impfpflicht an sich hat das BVerfG - zumindest im Eilverfahren - ausdrücklich nicht. Vielmehr betont der Senat einerseits, wie selten Impfungen gravierende Folgen hätten und anderseits, wie wichtig die frühzeitige Unterbrechung von Übertragungsketten sei und dass Impfungen einen relevanten Schutz vor Infektionen böten, auch mit Blick auf die Omikronvariante des Virus.

Aber Zweifel an Delegation von Impf- und Genesenenstatus auf RKI und PEI

Deutliche Zweifel äußern die Richterinnen und Richter aber an anderer Stelle. Seit Mitte Januar gilt eine sog. doppelte dynamische Verweisung, die derzeit unter anderem auch dazu führt, dass derzeit das Robert-Koch-Institut und das Paul-Ehrlich-Institut über die Anforderungen an Geimpft- oder Genesenennachweise entscheiden.

So verweist zunächst der Gesetzgeber auf die Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung. Diese Verordnung der Bundesregierung definiert, wer von Covid-19-Schutzmaßnahmen ausgenommen ist. Die Verordnung allerdings verweist dann ihrerseits noch einmal weiter, was die Anforderungen an Geimpft- und Genesenennachweise angeht, nämlich auf die Webseiten des Robert-Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich-Instituts. Das führte dazu, dass am 14. Januar der Bundesrat noch mitteilte, dass der Genesenenstatus für 6 Monate gelte. Einen Tag später, am 15. Januar, verkürzte das RKI auf seiner Webseite die Dauer des Status' auf drei Monate.

Auch § 20a IfSG stellt natürlich auf geimpfte oder genesene Personen im Sinne der Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmen-Verordnung ab, die doppelte Verweisung ist also auch im Kontext der einrichtungsbezogenen Impfpflicht relevant. Und so erklärt das BVerfG diese auch gleich für doppelt schwierig: Die Richterinnen und Richter zweifeln daran, ob es eine gesetzliche Grundlage dafür gibt, dass die beiden Bundesinstitute per Webseite bindende Regelungen mit Außenwirkung schaffen können. Außerdem bezweifeln sie, dass es verfassungsgemäß ist, dass der Verordnungsgeber der Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmen-Verordnung, die Anforderungen an Impf- und Genesenennachweise nicht selbst konkretisiert.