Digitaler Zivilprozess

„Reallabor“: Justizministerium will Online-Verfahren testen

Ab 2025 sollen einzelne Gerichte bei Zahlungsansprüchen von derzeit bis zu 5.000 Euro digital geführte Zivilverfahren erproben.

14.06.2024Gesetzgebung

Das Bundesministerium der Justiz hat am 12. Juni 2024 den Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Entwicklung und Erprobung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit“ veröffentlicht. Dadurch soll an einzelnen Gerichten getestet werden, Zahlungsansprüche vor den Amtsgerichten in einem digital geführten Gerichtsverfahren geltend zu machen. Derzeit gilt hier ein Zuständigkeitsstreitwert von bis zu 5.000 Euro, mit Blick auf den aktuellen Regierungsentwurf zur Erhöhung des Zuständigkeitsstreitwertes, soll dieser aber auf 8.000 Euro erhoben werden. Hierzu soll sich des Einsatzes digitaler Unterstützungswerkzeuge sowie einer strukturierten Erfassung des Prozesstoffs bedient werden - den Sachvortrag der Parteien möchte man jedoch nicht beschneiden.

Ziel des Reallabors

Einzelne Gerichte sollen ab 2025 vollständig digital geführte Zivilverfahren erproben. „Bürgerinnen und Bürger können sich mit nur wenigen Klicks an die Gerichte wenden,“ so Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann. Hierzu schafft der Entwurf das Instrument des sog. „Reallabors für die Justiz“. Es sollen Testräume geschaffen werden, um neue Technologien zeitlich befristet und unter realen Bedingungen zu erproben. Ziel ist es, Erkenntnisse für eine dauerhafte Regulierung zu gewinnen. Buschmann erklärte dazu: „Ich bin aber zuversichtlich, dass wir das Verfahren in den nächsten Jahren so weiterentwickeln werden, dass es zum Standard im Zivilprozess wird." Ein solches Verfahren war bereits im Koalitionsvertrag vereinbart.

Für das Reallabor zur Erprobung und Evaluierung des Online-Verfahrens wird die Zivilprozessordnung (ZPO) um ein weiteres Buch ergänzt. Mit dem dann 12. Buch der ZPO wird das Prozessrecht generell für eine Erprobungsgesetzgebung geöffnet und kann durch weitere Experimentierklauseln und Reallabore ergänzt werden.

Die wesentlichen Regelungen des Entwurfs

Rechtsuchende sollen bei der Erstellung einer Klage durch Informationsangebote und Eingabe- und Abfragesysteme unterstützt werden. Dafür soll zunächst weiterhin der elektronische Rechtsverkehr genutzt und mit der bestehenden Infrastruktur zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) auch die Anwaltschaft in die Erprobung einbezogen werden.

Die allgemeinen Verfahrensregeln der ZPO sollen durch Erprobungsregelungen modifiziert und ergänzt werden, insbesondere durch erweiterte Möglichkeiten eines Verfahrens ohne mündliche Verhandlung, eine Ausweitung von Videoverhandlungen und durch Erleichterungen im Beweisverfahren.

In sog. Massenverfahren (z.B. im Bereich der Fluggastrechte) sollen Eingabesysteme und technische Standards die Justiz dabei unterstützen, Dokumente und Akten zu strukturieren und ressourcenschonend zu bearbeiten.

Die Urteilsverkündung und Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen soll erleichtert werden. Auch soll die rechtliche Grundlage für eine neue Form der Justizkommunikation zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten geschaffen werden. Anträge und Erklärungen können unmittelbar über eine Kommunikationsplattform abgegeben werden. Dabei soll auch die gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten durch die Parteien und das Gericht (z.B. bei Vergleichsabsprachen) und die Zustellung von Dokumenten über die Plattform ermöglicht werden. Das Online-Verfahren soll schließlich barrierefrei, nutzerfreundlich und bundeseinheitlich über ein Bund-Länder-Justizportal für Onlinedienstleistungen zugänglich sein.

Das weitere Verfahren

Die Erprobung des Online-Verfahrens ist auf einen Zeitraum von zehn Jahren angelegt. Um das Online-Verfahren weiterzuentwickeln, ist nach vier sowie nach acht Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes eine Evaluierung vorgesehen.

Das Gesetzgebungsvorhaben wird durch ein Digitalisierungsprojekt des Bundesministeriums der Justiz begleitet. Dabei übernimmt der Bund in Projektpartnerschaft mit interessierten Ländern und Gerichten eine koordinierende Rolle bei der Entwicklung und Erprobung eines zivilgerichtlichen Online-Verfahrens. Derzeit sind acht Länder und elf Pilotgerichte an der Produktentwicklung beteiligt. 

Der Gesetzentwurf wurde nun an die Länder und Verbände versendet und auf der Internetseite des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) veröffentlicht. Die interessierten Kreise haben nun Gelegenheit, bis zum 12.07.2024 Stellung zu nehmen. Die Stellungnahmen werden auf der Internetseite des BMJ veröffentlicht.

Weiterführende Links:

Referentenentwurf