Anwaltsverschulden

Schlecht organisiert: Termin verpasst, keine Wiedereinsetzung

Eine Anwältin fuhr zu spät los, ohne Handy und Anwaltsausweis. Dass sie den Gerichtstermin verpasste, sei ihr anzulasten, so der AGH NRW.

15.10.2024Rechtsprechung

Eine Rechtsanwältin, die in Hamm (Westf.) zu spät zu einem Termin erscheint, handelt bereits deshalb sorgfaltswidrig, wenn sie erst 75 Minuten zuvor mit dem Pkw für eine 75 Kilometer lange Strecke zu diesem Termin aufbricht. Dies hat der Anwaltsgerichtshof (AGH) Nordrhein-Westphalen entschieden. Dies gelte umso mehr, da sie das Gericht nicht telefonisch über die Verspätung informiert habe. Ebensowenig habe sie einen Anwaltsausweis bei sich gehabt, um schneller durch die Sicherheitsschleuse zu gelangen (Beschl. v. 05.09.2024, Az. 2 AGH 01/24).

Das Anwaltsgericht hatte die Frau wegen einer berufsrechtlichen Pflichtverletzung verurteilt. Dagegen war sie in Berufung gegangen, an einem Freitag um 13 Uhr sollte der Verhandlungstermin stattfinden. Die Anwältin erschien jedoch 45 Minuten zu spät – da hatte das Gericht die Berufung bereits verworfen. Ihren Antrag auf Wiedereinsetzung verwarf der AGH nun als unbegründet.

AGH NRW moniert unzureichende Anreiseplanung

Allein die eingeplante Fahrzeit sei unrealistisch gewesen: Für eine Autofahrt von 75 Kilometern zwischen Kanzlei und Gerichtsgebäude nur 75 Minuten Fahrtzeit einzuplanen, setze für ein rechtzeitiges Erreichen des Zielortes eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 km/h voraus, rechnete der AGH vor. Innerstädtisch sei diese Geschwindigkeit nicht gestattet, außerorts erscheine eine entsprechend schnelle Fahrt an einem Freitagmittag – insbesondere durch das aktuell zusätzlich von Baustellen durchzogene Ruhrgebiet – von vornherein ausgeschlossen. Auch fürs Parken und den Fußweg zum Gerichtsgebäude hätte sie weitere Zeit einplanen müssen.

Hinzu kam, dass die Anwältin das Gericht nicht kontaktiert und über die Verzögerung informiert hatte. Dabei sei es schon unzureichend, dass sie kein funktionsfähiges Handy mit sich trug. In dem Fall hätte sie eine Tankstelle oder einen Rastplatz anfahren müssen, um das Gericht anzurufen – dies sei Anwältinnen und Anwälten nach ständiger Rechtsprechung zuzumuten.

Dazu monierte das Gericht, dass die Anwältin ihren Anwaltsausweis nicht dabeihatte, was die Personenprüfung verzögerte. Das Mitführen des Ausweises sei eine Sorgfaltspflicht – auch, wer ihn nur vergessen habe, müsse sich mangelnde Vorbereitung vorhalten lassen. Da sie sogar wusste, dass sie ihn nicht dabeihatte, hätte sie hierfür noch mehr Zeit einplanen müssen. Zumal sie am Gericht dem Sicherheitspersonal offensichtlich nicht bekannt war. Dass sie ortsunkundig war, lasse sich bereits daraus schließen, dass sie sich obendrein zunächst noch im Gebäude verlaufen hatte. Und schließlich, so die letzte Rüge des AGH, hätte sie die Justizmitarbeiter zumindest noch nach dem Weg fragen können.