Zugang einer Kündigung

LAG: Einwurf-Einschreiben nur mit Auslieferungsbeleg - Nachweis Einlieferung reicht nicht!

Den Zugang einer Kündigung gerichtsfest zu beweisen, erfordert den Auslieferungsbeleg der Post. Einlieferungsbeleg und Sendestatus allein reichen nicht.

15.06.2024Rechtsprechung

Ist der Zugang einer schriftlichen Erklärung streitig, ist der Absender diesbezüglich darlegungs- und beweisbelastet. Nun hat das LAG Baden-Württemberg entschieden: Hat der Absender den Weg über das Einwurf-Einschreiben der Deutschen Post gewählt, so reicht es nicht, wenn er einen Einlieferungsbeleg und den Sendungsstatus der Post vorlegt. Damit allein erbringe er noch keinen Anscheinsbeweis für den Zugang. Hierfür brauche es den Auslieferungsbeleg der Post bzw. eine Kopie davon, weil nur auf diesem Beleg die Unterschrift der Zustellperson bei der Post steht. Wenn eine Kopie dieses Belegs nicht mehr erhältlich ist, so falle dies in die Risikosphäre des Absenders, so die Richterinnen und Richter des LAG Baden-Württemberg (Urt. v. 12.12.2023, Az. 15 Sa 20/23). Die Entscheidung ist jedoch nicht rechtskräftig, die Revision beim BAG bereits anhängig (2 AZR 68/24).

Arzthelferin manipulierte Patientenakte

Der Entscheidung zugrunde lag der Fall einer Arzthelferin, die bei ihrem Arbeitgeber, einer Augenarztpraxis, mutmaßlich drei nicht stattgefundene Corona-Impfungen im Impfpass ihres Ehemannes vermerkt haben soll. Die vermuteten Urkundenfälschungen fielen wegen diverser Ungereimtheiten auf und wurden zur Anzeige gebracht. Nachdem bei der Frau eine Hausdurchsuchung stattgefunden hatte, loggte sie sich nachts in das System ein und manipulierte per Fernzugriff – soweit unstreitig – an 28 Stellen die Patientenakte ihres Mannes.

Der darauffolgende Versuch, der Frau zu kündigen, erwies sich jedoch aus formalen Gründen und weil sie zwischenzeitlich schwanger wurde, als problematisch. In der Berufungsinstanz hauptsächlich relevant war die Frage des Zugangs der zweiten von vier aufeinanderfolgenden außerordentlichen und ordentlichen Kündigungen. Die Mitarbeiterin berief sich darauf, diese nie erhalten zu haben. Ihre Arbeitgeberin legte daraufhin vor Gericht einen Einlieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens bei der Deutschen Post nebst Sendungsnummer vor.  Damit sei nach der BGH-Rechtsprechung (Urt. v. vom 27. 09.2016, Az. II ZR 299/15) der Anscheinsbeweis für den Zugang erbracht, den die Frau nicht widerlegt habe.

LAG: Einlieferungsbeleg allein reicht nicht aus

Die 15. Kammer des LAG interpretierte die BGH-Rechtsprechung jedoch anders und ließ den Einlieferungsbeleg für einen Anscheinsbeweis nicht ausreichen. Hierfür hätte es eines Auslieferungsbelegs bedurft. Dies hatte schon die 3. Kammer des LAG Baden-Württemberg so entschieden (Urt. v. 17.09.2020, Az. 3 Sa 38/19).

Beim Einwurf-Einschreiben dokumentiere der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin der Post den Einwurf der eingeschriebenen Sendung in den Empfängerbriefkasten mit einer genauen Datums- und Uhrzeitangabe sowie einem persönlichen Namenszeichen. Der dabei gefertigte Auslieferungsbeleg werde dann in einem Lesezentrum zentral für Deutschland eingescannt, so dass die genauen Auslieferungsdaten zur Verfügung stünden. Zwar werde das Original des Auslieferungsbelegs beim Scanvorgang zerstört. Jedoch könne der Absender bei einem Callcenter der Deutschen Post gegen Zahlung einer Gebühr einen Ausdruck des Scans erhalten. So könne man auch denjenigen Mitarbeiter oder diejenige Mitarbeiterin der Deutschen Post als Zeugen oder Zeugin benennen.

Der Einlieferungsbeleg in Kombination mit dem „Sendungsstatus“ hingegen reichten nicht aus, um diesen Anscheinsbeweis zu erbringen. Diese belegten nur, dass eine Sendung an einem bestimmten Tag zugestellt worden sein soll, deren Nummer der Sendungsnummer entspricht. Dies sei mit dem Auslieferungsbeleg nicht gleichwertig. Aus dem Sendungsstatus gehe weder der Name des Zustellers bzw. der Zustellerin hervor, noch beinhalte er eine technische Reproduktion der Unterschrift, mit der beurkundet wird, dass die Sendung eingeworfen wurde. Nur bei einem Auslieferungsbeleg stehe damit erkennbar ein individueller, konkreter Mensch als Gewährsperson hinter der Angabe der Deutschen Post. Ohne einen solchen fehle es an einer (möglichen) Grundlage für den Vertrauensvorschuss in die Korrektheit der Abläufe und damit auch an einer Grundlage für den Anscheinsbeweis.

Sicherste Methode ist weiterhin der persönlich bekannte Bote

Es stelle keine unzumutbare Belastung für einen Absender dar, entweder – wenn er den Weg des Einwurf-Einschreibens durch die Deutsche Post AG gewählt hat - zeitnah eine Reproduktion des Auslieferungsbelegs anzufordern, oder den aufwendigeren, aber besser nachweisbaren Weg einer Auslieferung per Boten zu wählen. Könne - wie hier - keine Reproduktion des Auslieferungsbelegs von der Deutschen Post mehr zur Verfügung gestellt werden, weil die Anfragefrist von 15 Monaten nach Auslieferung bereits abgelaufen ist, falle dies in die Risikosphäre des Absenders.

Wie die Richterinnen und Richter weiter ausführen, sei die rechtssicherste Alternative zur Zustellungsform des Einwurfeinschreibens deshalb weiterhin der Einwurf in den Hausbriefkasten durch persönlich bekannte Boten, die dann problemlos als Zeugen benannt werden könnten.

Ob das hier gefundene Ergebnis in der Revision hält, wird sich zeigen.