Nachrichten aus Berlin | Ausgabe 17/2024

EuGH zu Berufsgeheimnis und DAC-6

In einer aktuellen Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof sich erneut zum Spannungsverhältnis von steuerrechtlichen Meldepflichten nach der sog. DAC-6-Richtlinie und anwaltlicher Verschwiegenheit geäußert. Dabei betont der Gerichtshof die Bedeutung des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwält:innen und Mandant:innen.

21.08.2024Newsletter

Mit der Richtlinie zur Änderung der EU-Amtshilferichtlinie (Richtlinie (EU)2018/22) – kurz: DAC-6 – wurden im Jahr 2018 Meldepflichten für potenziell aggressive grenzüberschreitende Steuergestaltungen für Intermediäre eingeführt. Solche Intermediäre können auch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sein. Die Richtlinie sieht vor, dass diese von ihrer Meldepflicht befreit werden können, wenn sie gegen eine nach nationalem Recht bestehende Verschwiegenheitsverpflichtung verstoßen würden. Dann müssen sie jedoch andere Intermediäre bzw. die Steuerpflichtigen selbst über ihre Meldepflicht unterrichten.

Bereits im Dezember 2022 hatte der EuGH in der Rs. C-694/20 die Bedeutung der anwaltlichen Verschwiegenheit im Zusammenspiel mit den DAC-6 Meldepflichten herausgestellt und entschieden, dass die Pflicht eines Rechtsanwalts, bei Befreiung von der Meldepflicht aufgrund seiner Stellung als Rechtsanwalt andere Intermediäre über deren Meldepflichten zu unterrichten, das Berufsgeheimnis verletze. Der aktuelle Fall betrifft die belgische Umsetzung der Richtlinie. Mehrere Verbände von Steuerberatern sowie Rechtsanwältinnen hatten mit Blick auf die EU-Grundrechtecharta sowie allgemeine Grundsätze des Unionsrechts dagegen geklagt.

Der Gerichtshof entschied nun, dass die Rechtsprechung aus Dezember 2022 nur für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte im Sinne der Richtlinie 98/5/EG gelte und nicht für andere zur Vertretung vor Gericht ermächtigte Berufsangehörige. Dies sei auf den speziellen Schutz, welcher sich aus der singulären Stellung des Rechtsanwalts innerhalb der Gerichtsorganisation der Mitgliedstaaten sowie der ihm übertragenen grundlegenden Aufgaben, welche von allen Mitgliedstaaten anerkannt würden, zurückzuführen. Dieser Schutz könne nicht auf andere freie Berufe ausgeweitet werden.

Weiter stellt der Gerichtshof hinsichtlich der ersten Vorlagefrage fest, dass in der Ausdehnung auf Steuern über die Gesellschaftssteuer hinaus, mit Ausnahme der Mehrwertsteuer sowie von Zöllen und Verbrauchersteuern, keine Verletzung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung sowie der Art. 20 und Art. 21 der Charta vorliegt, da Referenzkriterium die Gefahr aggressiver Steuerplanung sowie von Steuervermeidung sei, welche nicht nur im Bereich der Gesellschaftssteuer umgesetzt werden könne. Auch die zweite Vorlagefrage zur hinreichenden Bestimmtheit der Richtlinie im Hinblick auf Rechtssicherheit, Gesetzmäßigkeit in Strafsachen und Recht auf Achtung des Privatlebens gem. Art. 7 der Charta beantwortet der Gerichtshof positiv. Die letzte Vorlagefrage, welche auf einen Eingriff ins Privatleben aufgrund der Pflicht zur Meldung einer Gestaltung, mit der in legaler und nicht missbräuchlicher Weise ein Steuervorteil angestrebt wird, abzielt, beantwortet der EuGH ebenfalls ohne Feststellung eines Verstoßes.

Nun steht noch die Entscheidung in der Rs. C-432/23 aus. Auch dort befasst sich der EuGH mit der anwaltlichen Verschwiegenheit angesichts steuerrechtlicher Meldepflichten.

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