Nachrichten aus Berlin | Ausgabe 8/2023

BVerfG zum beA: auch Schriftsätze mit überlangem Dateinamen sind zu berücksichtigen

Gerichte müssen per beA eingereichte Schriftsätze auch berücksichtigen, wenn sie wegen eines zu langen Dateinamens dort nicht verarbeitet werden konnten. Das hat das Bundesverfassungsgericht zu einem Altfall entschieden. Nach heutigem Stand könnte ein solcher Fall nicht mehr so auftreten.

20.04.2023Newsletter

Ein Gericht muss einen technisch ordnungsgemäß und fristgerecht über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereichten Schriftsatz auch dann berücksichtigen, wenn er wegen eines mehr als 90 Zeichen langen Dateinamens zwar bei Gericht eingegangen ist, aber dort nicht weiterverarbeitet werden konnte. Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) jüngst entschieden.

Der Entscheidung des BVerfG liegt ein Fall aus dem Jahr 2021, also vor Eintritt der aktiven Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs zugrunde. Die Beschwerdeführerin hatte der von ihrem Vater und dessen Ehefrau beabsichtigen Adoption eines Volljährigen widersprochen, unter anderem wegen der damit einhergehenden Kürzung ihres gesetzlichen Erbes. Ihre Stellungnahme zu dem Adoptionsantrag berücksichtigte das zuständige Amtsgericht jedoch nicht.

Die Stellungnahme hatten ihre Verfahrensbevollmächtigten per beA an das Gericht übermittelt. Die beA-Nachricht enthielt neben dem Schriftsatz auch einen Handelsregisterauszug als Anlage, der vom Registerportal einen mehr als 90 Zeichen langen Dateinamen erhalten hatte. Wegen der Länge des Dateinamens konnte die Nachricht durch die Justiz-IT nicht weiterverarbeitet werden und gelangte daher nicht in die Gerichtsakte. Das Amtsgericht wies die Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin darauf hin und bat um erneute Übersendung mit einem kürzeren Dateinamen. Bereits zuvor gab das Amtsgericht jedoch dem Adoptionsantrag statt. Der dagegen gerichteten Gehörsrüge der Beschwerdeführerin gab das Amtsgericht nicht statt.

Dadurch hat es die Beschwerdeführerin in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 I GG) verletzt, entschied das BVerfG. Denn der Schriftsatz sei ordnungsgemäß eingereicht worden. Nach § 130a I und II ZPO (die im Jahr 2021 gleichlautend mit der heutigen Fassung waren) ist die Einreichung als elektronisches Dokument möglich, wenn das elektronische Dokument für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist. Was geeignet ist, ergab sich aus der damals geltenden Fassung der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV), die die Länge von Dateinamen nicht beschränkte. Auch die aufgrund von § 5 ERVV erlassene Bekanntmachung (ERVB 2018) enthielt keine derartige Begrenzung.

Nach Ansicht des BVerfG steht es einer ordnungsgemäßen Einreichung nicht entgegen, wenn ein elektronisch eingereichter Schriftsatz trotz Erfüllung der technischen Voraussetzungen vom zuständigen Gericht nicht verarbeitet werden kann. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich der Inhalt des Dokuments nachträglich einwandfrei feststellen lässt. Anders läge es nur, wenn das eingereichte Dokument objektiv nicht zur Bearbeitung geeignet ist, obwohl es die technischen Voraussetzungen erfüllt, z.B. aufgrund von Virenbefall oder Verschlüsselung.

Weil seine Entscheidung auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beschwerdeführerin beruht, muss das Amtsgericht ihre Stellungnahme berücksichtigen und darüber entscheiden, ob der Adoptionsbeschluss aufzuheben oder aufrechtzuerhalten ist.

Nach heutigem Stand könnte sich der Fall nicht mehr so zutragen. Mit dem Beginn des verpflichtenden elektronischen Rechtsverkehrs zum 1.1.2022 wurden die formalen Anforderungen an das Einreichen elektronischer Dokumente vereinfacht. Unter anderem regelt die ERVB 2022 in Nr. 6 b) und c) nunmehr klar, dass Dateinamen einschließlich der Dateiendung nicht länger als 90 Zeichen sein dürfen und welche Zeichen sie enthalten dürfen. Es handelt sich dabei allerdings nicht um eine zwingende Vorgabe, sondern lediglich um eine Soll-Vorschrift. Im Fall des BVerfG hätte die von den Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin eingereichte Anlage also nach heutiger Rechtslage nicht den technischen Standards entsprochen, gleichwohl hätte das Gericht sie aber berücksichtigen müssen.

Die beA-Webanwendung wurde zwischenzeitlich, um Auseinandersetzungen darüber zu vermeiden, so angepasst, dass sie hochgeladene Anlagen darauf prüft, ob sie den Anforderungen der ERVV und ERVB entspricht. Sofern das nicht der Fall ist, wird ein Warnhinweis ausgegeben und die Nachricht kann nicht versandt werden.

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