Kein Vollstreckungsabschlag

BGH verschärft Urteile gegen Rocker im Berliner Wettbüro-Mordfall

Es gibt keinen Vollstreckungsabschlag bei einer Verurteilung wegen Mordes, weil der Staat den Mord möglicherweise hätte verhindern können. Straftäter haben keinen Anspruch darauf, dass die Strafverfolgungsorgane gegen sie selbst einschreiten, urteilte der BGH.

08.02.2022Rechtsprechung

Es war ein Szeneverbrechen, wie es im Film nicht besser hätte geskriptet werden können: Acht Mitglieder der Rocker-Gruppe „Hells Angels“ sind 2019 vom Landgericht (LG) Berlin wegen Mordes verurteilt worden, ihr Anführer wegen Anstiftung zum Mord. Die ihnen zur Last gelegte Tat: Im Januar 2014 sollen sie „überfallartig“ ein Wettbüro im Berliner Stadtteil Reinickendorf gestürmt haben, in dem sich der damals 26-jährige Rivale des Anführers aufhielt. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Anführer die acht Mitglieder der Rocker-Gang am Nachmittag desselben Tages mit der Tat beauftragt. Wie geplant schoss, so das LG, einer der Angeklagten dann mehrfach auf das arglose Opfer, das dabei starb.

Das LG bewertete die Tat als Mord wegen Heimtücke sowie aus niedrigen Beweggründen. Allerdings gewährte es von den lebenslangen Freiheitsstrafen jeweils einen Vollstreckungsabschlag von zwei Jahren, erklärte also die Mindestverbüßungsdauer in dieser Höhe für bereits vollstreckt. Die Berliner Richter begründeten das mit einem Verstoß gegen das Recht der Angeklagten auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention): Nach der Beweisaufnahme sei es möglich, dass das Landeskriminalamt in der Hauptstadt schon im Oktober 2013 davon gewusst habe, dass der später Ermordete getötet werden sollte, aber nichts dagegen unternommen habe. Gegen diesen Vollstreckungsabschlag legte die Staatsanwaltschaft Revision ein. Damit war sie in Leipzig nun erfolgreich.

Dem Täter kommt nicht zugute, dass der Staat ihn nicht von der Tat abhielt

Während der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) die Revisionen aller Angeklagten als unbegründet verwarf und lediglich einen Strafausspruch zur erneuten Verhandlung nach Berlin zurückverwies, gab er der Revision der Staatsanwaltschaft statt: Die Richter in Leipzig hoben des Rechtsfolgenausspruch des LG in Bezug auf den Vollstreckungsabschlag auf, dieser entfällt damit.

Die Begründung des Senats fällt - zumindest laut der Pressemitteilung des BGH, der im Januar immerhin zwei Tage für die Verhandlung angesetzt hatte - kurz und knapp aus: Die Angeklagten seien nicht in ihrem Recht auf ein faires Verfahren verletzt worden. „Denn ein Anspruch eines Straftäters auf Einschreiten der Strafverfolgungsorgane gegen ihn selbst existiert nicht“.  Mögliche Ermittlungspannen des Berliner Landeskriminalamts kommen den Verurteilten damit nicht zugute.