Nachrichten aus Brüssel | Ausgabe 15/2020

Statement zum Einsatz von Videokonferenztechnologie im Strafrecht – ECBA

17.09.2020Newsletter

Die Europäische Strafverteidigervereinigung ECBA (European Criminal Bar Association) hat am 6. September 2020 Prinzipien für den Einsatz von Videokonferenztechnologie in strafrechtlichen Fällen in einer Welt nach COVID-19 veröffentlicht.

Darin wird die zentrale Bedeutung der physischen Anwesenheit des Angeklagten im Prozess als Teil seines Rechts auf ein faires Verfahren betont. Gleichwohl kann ausnahmsweise in manchen Fallkonstellationen mit grenzüberschreitendem Bezug, in denen sich der Verdächtige bzw. Angeklagte einerseits und Ermittlungsbehörden sowie Gerichte andererseits in unterschiedlichen Staaten befinden, eine Vernehmung mittels Videotechnologie sogar aus Verhältnismäßigkeitsgründen geboten sein.

Im Statement wird zunächst zwischen grenzüberschreitenden Fällen und rein nationalen Fällen sowie zwischen Vernehmungen vor dem Prozess und dem Prozess selbst unterschieden. Insbesondere in grenzüberschreitenden Fällen kann eine Videoanhörung geboten sein, wenn der Prozess sonst in Abwesenheit des Angeklagten stattfinden würde oder ein für geringfügige Straftaten unverhältnismäßiger Europäischer Haftbefehl (EuHB) erlassen werden müsste. Dem Angeklagten kommt bei einer Videovernehmung in einem solchen Fall zugute, dass er in einem frühen Stadium befragt werden kann und seine effektive Verteidigung in beiden Staaten sichergestellt ist, da er nicht zwei Rechtsanwälte bezahlen muss.

In Bezug auf Fälle ohne grenzüberschreitenden Bezug wird die grundlegende Bedeutung der physischen Anwesenheit des Angeklagten betont. Sollte dennoch auf Video zurückgegriffen werden, so müssen neben technischen Standards die Verfahrensrechte des Angeklagten, Transparenz und Öffentlichkeit gewährleistet sein. Ohne die freie, widerrufliche Zustimmung des Angeklagten soll eine Videovernehmung gar nicht möglich sein. Die ECBA fordert die EU, den Europarat und die jeweiligen Mitgliedstaaten dazu auf, die notwendigen praktischen und ggf. gesetzgeberischen Schritte zu unternehmen.

Weiterführender Link: